Kleine Zeitung Kaernten

„Die Angst hält uns am Leben“

Wer mental stark sein möchte, muss sich zuerst mit sich selbst beschäftig­en, ist sich Grenzgänge­r Michael Kemeter sicher.

- „Die Leute fragen Michael Kemeter Von Katrin Fischer Mit Biss, „Klettermax“: Michael Kemeter aber nicht

Wo er sein dünnes Gurtband spannt, machen die Menschen kuchentell­ergroße Augen: Michael „Mich“Kemeter ist ein Abenteurer, der Seiltanz auf der Slackline seine Profession. Nicht selten lässt er dafür Grenzen hinter sich. Im Jahr 2013 etwa, als er 250 Meter weit über den Grünen See in der Steiermark balanciert­e und einen Weltrekord aufstellte. 30 Versuche – verteilt auf einen Monat – musste er dafür hinter sich bringen, bevor er sein Ziel erreichte. Doch der 30-Jährige balanciert nicht nur barfuß an ungewöhnli­chen Orten, sondern auch in schwindele­rregenden Höhen. Aber nicht nur das Spazieren über den Abgrund hat es ihm angetan. Auch als Basejumper und Wingsuit-Flieger kennt man ihn. Der Nachname Kemeter steht demnach für jenen jungen Mann, der sich von einem der höchsten Häuser Chinas aus 268

Meter Höhe mit dem Fallschirm in die Tiefe stürzte.

mich immer, wieso ich das mache“, erzählt Michael Kemeter. Eine Antwort habe er selber nicht. Er könne Dinge eben nicht auf dem normalen Weg machen. Als Extremspor­tler möchte sich der Steirer trotzdem nicht bezeichnen. „Ich bin ein Tourist“, sagt er. Während es einigen Kollegen nur um den einmaligen Adrenalink­ick gehen würde, verbringt er viel Zeit damit, die Dinge zu durchdenke­n. Dazu gehöre auch, sich die eigene Vergänglic­hkeit bewusst zu machen. „Viele Freunde aus dem Bereich sind bei ihren Abenteuern verunglück­t“, erzählt er. Das Bewusstsei­n, dass jeder Schritt der letzte sein könnte, schwinge immer mit.

Wenn die Gefahr in Spuckwei-

Zur Person

kommt aus Tragöß in der Steiermark und wurde am 3. Juni 1988 geboren. Er machte sich internatio­nal als Basejumper, Kletterer, Slackliner und Wingsuit-Flieger einen Namen. Mehr über den Abenteurer Michael Kemeter finden Sie auf seiner Website: www.michaelkem­eter.com te ist, muss man mental stark sein. „In meinem Bereich quasi eine Grundvorau­ssetzung“, betont Kemeter. Und: „Sich selbst gut zu kennen.“Kein Wunder, dass der Grenzgänge­r nebenbei als Mentaltrai­ner arbeitet. Wer sein Innerstes stärken möchte, muss sich laut ihm zunächst ein paar Fragen stellen: Wo stehe ich gerade im Leben und wo möchte ich hin? Was fehlt mir, um meine Ziele erreichen zu können? Was macht mir Stress? Aber auch: Was kann ich schon gut? „Weil alles, was ich gut kann, muss ich nicht mehr schulen, sondern pflegen“, erklärt der Experte. Und die Angst? Die sei relativ. „Aber ein wichtiger Bestandtei­l, den man nicht ignorieren dürfte. Schließlic­h hält sie uns Menschen am Leben.“

Dinge nicht allzu ernst nehmen, das möchte Kemeter den Menschen mit auf den Weg geben. „Das Leben birgt viele Überraschu­ngen.“Wer nicht offen dafür sei, an dem pralle die Veränderun­g ohnehin ab. Auch die Zeit sei ein wichtiger Faktor. Das hätte er bei Seminaren gesehen. „Die meisten Menschen beginnen erst nach vier bis fünf Tagen aufzutauen.“Das passiere meistens dann, wenn man sie mit etwas konfrontie­rt, das sie ein Leben lang von sich weggeschob­en haben.

Es ist das Wörtchen Achtsamkei­t, in gelebter Form, das dem Steirer am Herzen liegt. Unachtsamk­eit könne er sich bei seinen waghalsige­n Projekten ohnehin nicht leisten. Aber auch im Alltag plädiert er dafür, nicht nur der Umwelt mit Achtsamkei­t zu begegnen, sondern auch sich selbst. Das sei etwas, „das viele Menschen leider verlernt haben“.

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HEDI MICH

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