Kleine Zeitung Kaernten

Lassen Saudis Kritiker in der Türkei ermorden?

Jamal Khashoggi, der unbequeme Kritiker des saudi-arabischen Kronprinze­n Mohammed, soll in Istanbul ermordet worden sein.

- Von Martin Gehlen

In dem mysteriöse­n Fall des seit Dienstag verschwund­enen saudischen Publiziste­n und Dissidente­n Jamal Khashoggi gibt es eine dramatisch­e Wende. Am Wochenende sagten türkische Regierungs­vertreter der „New York Times“und westlichen Nachrichte­nagenturen, ein speziell angereiste­s Killerkomm­ando habe nach bisherigen Erkenntnis­sen den Kritiker des Kronprinze­n Mohammed bin Salman ermordet und seine Leiche fortgescha­fft. 15 saudische Agenten seien am Morgen des Tattages in zwei Privatjets eingefloge­n, hätten sich zur gleichen Zeit wie Khashoggi im Konsulat aufgehalte­n und Istanbul noch am Abend wieder verlassen.

Sollte sich der Verdacht eines Auftragsmo­rds durch das Ködie bestätigen, hätte das für Saudi-Arabien unabsehbar­e Folgen. Das internatio­nale Ansehen und der Reformermy­thos des 33-jährigen Mohammed bin Salman wären dahin, das angespannt­e Verhältnis der beiden regionalen Rivalen Türkei und Saudi-Arabien ruiniert. Auch in den Vereinigte­n Staaten wächst Unruhe über das autoritäre und unberechen­bare Gehabe des Thronfolge­rs. Großbritan­nien sprach von „extrem ernsten Anschuldig­ungen“. Die USRegierun­g allerdings kann einen Mord an Khashoggi bisher nicht bestätigen, geht aber davon aus, dass „etwas vorgeht und sie es uns nicht sagen“, zinigshaus

tierte die „Washington Post“einen hohen Beamten. Die saudische Seite dagegen dementiert alle Vorwürfe kategorisc­h.

Kronprinz Mohammed bin Salman erklärte in einem Interview, Khashoggi habe das saudische Konsulat in Istanbul kurz nach dem Betreten wieder verlassen und befinde sich auch nicht in Saudi-Arabien. Nach wie vor fehlt von Khashoggi jede Spur, der in dem Gebäude eine Tage zuvor bestellte Scheidungs­urkunde abholen wollte, um in Istanbul seine türkische Verlobte zu heiraten. Khashoggi lebte seit einem Jahr im selbst gewählten Exil in den USA und pendelte zwischen Washington, London und Istanbul. Die „Washington Post“, in der er regelmäßig die Politik des saudischen Kronprinze­n kritisiert, ließ in der Freitagsau­sgabe seinen üblichen Kolumnenpl­atz weiß.

Nach Erkenntnis­sen der türkischen Polizei gibt es auf keiner der Überwachun­gskameras rund um das Konsulat eine Spur von Khashoggi. Am Samstag lud der saudische Generalkon­sul Mohammad al-Otaibi Journalist­en in das Gebäude ein, das offiziell als saudisches Territoriu­m gilt und zwei Eingänge hat. Er forderte die Medienvert­reter auf, alle sechs Stockwerke zu inspiziere­n und sich davon zu überzeugen, dass der Gesuchte nicht anwesend ist. Auf die eigenen Überwachun­gskameras angesproch­en, erklärte der Diplomat, diese würden keine Bilder aufzeichne­n.

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AFP/PICTUREDES­K Friedensno­belpreistr­ägerin Tawakkol Karman legt nach Khashoggis Verschwind­en Protest vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ein

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