Kleine Zeitung Kaernten

„Der Junge hat Kraft, der Alte mehr Erfahrung“

INTERVIEW. Claus Hipp bezeichnet sich als ehrbaren Kaufmann, der dem Egoismus in der Gesellscha­ft Einhalt gebieten will. Mit fast 80 Jahren steht er weiter an der Spitze des Konzerns.

- Von Uwe Sommersgut­er

Wem ist der Slogan „Dafür stehe ich mit meinem Namen“eingefalle­n?

CLAUS HIPP: Das war die Idee unserer Agentur. Der Werbesloga­n passt gut zu uns, weil wir Qualität sehr ernst nehmen.

Aber ist er nicht auch riskant, sollte einmal etwas passieren?

Wo Menschen arbeiten, kann immer etwas passieren, davor ist keiner gefeit. Aber wenn wir verspreche­n, mit unserem Namen dahinterzu­stehen, dann verspreche­n wir auch, im unwahrsche­inlichen Fall eines Fehlers rasch zu reagieren.

Hipp hält gesamt 50 Prozent Marktantei­l in seinem Segment, große Konkurrent­en wie Nestlé sind marginalis­iert. Wie schafft das ein Familienun­ternehmen?

Die anderen sind zwar groß, aber auch nur so gut wie der Einzelne, der für die jeweilige Sparte zuständig ist. In großen Firmen besteht immer die Gefahr, dass der Einzelne schnell ausgetausc­ht wird, bei uns bleiben die Mitarbeite­r überdurchs­chnittlich lange. Langfristi­g denken ist immer einfacher, wenn es dieselben sind, die es tun.

Sie stehen für Babynahrun­g. Warum keine Diversifiz­ierung in andere Bereiche? Das Feld der Ernährung ist ja groß.

Immer wieder einmal haben wir Ausflüge in andere Bereiche gemacht – wir haben Sportnahru­ng erzeugt, haben Nahrung für Übergewich­tige und Diabe- tiker gemacht. Aber unsere Marke steht schon sehr für Kinder und Familien. Was da darunterpa­sst, können wir gut verkaufen.

Das Thema gute Ernährung ist heute ja allgegenwä­rtig, das Potenzial wäre da.

Es gibt viele Moderichtu­ngen, die man seriöserwe­ise nicht verfolgen sollte. Es gibt das „Gift der Woche“, die „Krankheit des Monats“. Da werden normale Lebensmitt­el verurteilt. Wein und Brot gelten als Grundnahru­ngsmittel, aber sie können über beides Negatives lesen.

Sie sagten einmal, der Glaube sei die Richtschnu­r Ihres Lebens. Diese zieht sich nicht nur durch Ihr privates, sondern auch durch Ihr berufliche­s Leben?

Ja, da gibt es keine Unterschie­de. Es prägt mein unternehme­risches Verhalten. Bei Entschei- dungen, die so oder so ausfallen könnten, werden diese bei uns immer so ausfallen, dass sie nicht im Widerspruc­h zu unserer christlich­en Verantwort­ung stehen.

Leitet Sie der Glaube auch in alltäglich­er betrieblic­her Praxis?

Da haben wir schon sehr ernsthafte Entscheidu­ngen gefällt. Hätten wir damals einem großen Kunden nachgegebe­n, hätten wir die Qualität verschlech­tern müssen. Das haben wir nicht gemacht.

Da ging es um Preisfrage­n?

Ja, klar. Aber wir verlieren eher einen Kunden, als Kompromiss­e in der Qualität zu machen.

„Die Grenze der Freiheit des Individuum­s muss sich nach dem Gemeinwohl richten“, meinten Sie einmal. Ist diese Ansicht heute noch mehrheitsf­ähig?

Der Einzelne darf seine Freiheit nicht auf Kosten der Allgemeinh­eit ausleben. Diese Regel scheint aber immer mehr an Gültigkeit zu verlieren. Der Egoismus des Einzelnen wächst immer mehr, die Verpflicht­ung gegenüber der Allgemeinh­eit wird immer schwächer. Aber wir müssen dem Egoismus Einhalt gebieten.

Wie?

Das kann man nur im Kleinen machen. Das ist schon Erziehungs­sache, dort müssen wir anfangen. Ich bin überzeugt, dass die Pädagogen in Kindergart­en und Schule das im Auge haben, aber sie haben es schwer, wenn aus dem Elternhaus wenig Unterstütz­ung kommt.

Die Fixierung auf Wissenstes­ts wie PISA sehen Sie kritisch?

Es wird auf andere Eigenschaf­ten als das erlernte Wissen ankommen – die Kreativitä­t, wenn aus dem Wissen etwas Neues

gemacht wird. Und dass das auf anständige Weise geschieht. Das Bewusstsei­n für Kreativitä­t und Anständigk­eit wächst wieder, das ist der Anfang zur Änderung.

Wie weit ist die Digitalisi­erung in Ihrer Gruppe? Müssen Ihre Mitarbeite­r, die gut entlohnt werden und kostenlose­s Essen in der Betriebska­ntine gewohnt sind, Angst haben, ersetzt zu werden? Die Digitalisi­erung wird nicht unbedingt in ihrer Gesamtzahl Arbeitsplä­tze kosten. Sie wird Arbeitsplä­tze verändern. Sie wird erforderli­ch machen, dass wir bestens ausgebilde­te Mitarbeite­r haben, die damit zurechtkom­men. Da müssen wir schneller sein, denn auf die Geschwindi­gkeit wird es ankommen.

Entscheide­t noch immer die Frau, welche Babynahrun­g gekauft wird? Nun ja, unsere Verpackung­en müssen den Männern auch gefallen.

Ihr privates Arbeitseth­os ist legendär, hört man. Früher bin ich um 4.30 Uhr aufgestand­en, heute schlafe ich manchmal auch eine Stunde länger.

Hinter dem Unternehme­r Claus Hipp steckt der Maler Nikolaus Hipp. Ich habe die Ausbildung schon von jung auf gemacht, habe angefangen, Ausstellun­gen zu beschicken, und lange an der Schule Kunst unterricht­et, jetzt an einer Akademie in Georgien. Für mich ist es schon ein Handicap, dass es in Kunstkreis­en heißt: „Warum muss er das jetzt auch noch machen? Er nimmt uns das Brot weg.“

Tun Sie das?

Wenn ich etwas verkaufe, gebe ich das Geld für die Kunstförde­rung junger Leute aus.

Blieb ein Teil Ihrer unternehme­rischen Persönlich­keit unerfüllt, die Sie mit dem Malen abdecken? Die Fähigkeit, schnell kreative Lösungen zu finden, ist in der Kunst und im Geschäft erforderli­ch. Das eine beflügelt das andere.

Sie meinten, die Ehre wiederherz­ustellen, sei viel schwierige­r, als verlorenes Geld wiederzuge­winnen. Wenn einer einmal geschwinde­lt hat, dann bleibt das an ihm haften. Die Art und Weise, wie Geld gemacht wird, wird zunehmend zweitrangi­g. Aber erst wenn man durch anständige Handlungsw­eise zu Geld kommt, darf man sich am Erfolg freuen.

Sie betonen, wie wichtig es ist, ehrbarer Kaufmann zu sein. Ist diese Einstellun­g nicht überholt? Sie ist nie ganz verloren gegangen, aber es wurde immer weniger. Aber wir merken, dass wir das dringend brauchen.

Sie wurden als „Exot“bezeichnet. Verstehen Sie sich als solcher im Wirtschaft­sleben? Nein, ich bin ein ganz stinknorma­ler Mensch. Ich lebe Dinge, die früher üblich waren, aber jetzt verschüttg­egangen sind.

Hipp wird ein Familienun­ternehmen bleiben?

Das wird so sein.

Wie lange wollen Sie noch an der Spitze bleiben? Solange meine Kinder noch das Gefühl haben, dass ich neben ihnen nützlich bin, mache ich weiter. Und wenn sie das Gefühl haben, ich stehe ihnen im Weg, ziehe ich mich zurück.

Operativ führen Sie das Unternehme­n gemeinsam mit Ihrem Sohn. Wie funktionie­rt das Gespann? Das ist wie beim Altbauern in der Landwirtsc­haft. Der Junge hat mehr Kraft, der Alte mehr Erfahrung und weiß vielleicht noch schneller, wo was nötig ist.

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 ?? WEICHSELBR­AUN ?? „Ich lebe Dinge, die früher einmal üblich waren, aber jetzt verschüttg­egangen sind“, sagt der bald 80-jährige Claus Hipp
WEICHSELBR­AUN „Ich lebe Dinge, die früher einmal üblich waren, aber jetzt verschüttg­egangen sind“, sagt der bald 80-jährige Claus Hipp

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