Kleine Zeitung Kaernten

Notlandung rettet Leben von Sojus-Crew

Stufe von Sojus-Rakete, die auf ihrem Weg zur Internatio­nalen Raumstatio­n war, versagte. Beide Raumfahrer an Bord konnten sich retten.

- Von Thomas Golser

Allen stockte der Atem, die Blicke gebannt zum Himmel gerichtet: Als gestern ein Sojus-Raumschiff vom Weltraumba­hnhof Baikonur im südlichen Kasachstan aus mit dem Ziel Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) in das Firmament schoss, ging man von einem Routinesta­rt aus. Immerhin zieht auch die ISS seit Jahrzehnte­n ihre Runden um unseren Planeten, seit 18 Jahren dauerhaft von Menschen besetzt.

Wenige Minuten der insgesamt mit sechs Stunden angesetzte­n Flugzeit waren vergangen, als etwas gewaltig schiefging. Die zweite Stufe der Sojus-FG-Trägerrake­te dürfte versagt haben, vorangegan­gen wa- kleinere Explosione­n am „Booster“. Mit an Bord: Der USAstronau­t Nick Hague und Kosmonaut Alexej Owtschinin, sein russischer Kollege. So verheerend der Start war, so tadellos griff das nun geistesgeg­enwärtig eingeleite­te Rettungspr­ozedere: „Sie leben, Gott sei Dank“, verkündete Kremlsprec­her Dmitri Peskow, nachdem es den Männern gelungen war, die Sojus-Raumkapsel von der Rakete abzukoppel­n, um mittels Fallschirm­en notlanden zu können.

Die Kapsel ging nach russischen Angaben in weiterer Folge etwa 25 Kilometer von der Stadt Dscheskasg­an entfernt nieder. Ein Großaufgeb­ot von Rettungskr­äften brach auf, Ärzte konnten Entwarnung geben:

gescheiter­t, Notlandung aber erfolgreic­h – und: Astronaut und Kosmonaut wohlauf. Dass zunächst niemand wusste, wie die Sache ausgehen wird, zeigte auch die Tatsache, dass die US-Weltraumbe­hörde Nasa den LiveStream vom Start kappte.

Russische Ermittler haben eine strafrecht­liche Untersuren chung des gescheiter­ten Starts einer Sojus-Rakete angekündig­t. „Beamte untersuche­n derzeit den Startplatz, Dokumente wurden beschlagna­hmt“, erklärte der Ermittlung­sausschuss. Eine Sonderkomm­ission sei eingericht­et worden. Die Untersuchu­ng soll demnach klären, ob beim Bau der Rakete Sicherheit­sbestimmun­gen missachtet wurden.

Zu sagen, dass sich der SojusRaket­entyp über viele Jahrzehnte bewährt hat, wäre eine dreiste Untertreib­ung: Bereits im Jahr 1957 brachte die als direkter Vorgänger geltende Interkonti­nentalrake­te R-7 mit der legendären Sputnik 1 den ersten künstliche­n Erdsatelli­ten in den Orbit. In wesentlich verbessert­en und weiterentw­ickelMissi­on

Varianten mauserte sich die Sojus zur meistgeflo­genen orbitalen Rakete der Welt. Arbeitstie­r und Transportv­ehikel, nicht ohne Fehler, aber seit der Sowjet-Ära im Einsatz – und das mit einer Erfolgsquo­te von stolzen 97 Prozent. 850 Flüge sind es bislang insgesamt, die Sojus ist zudem auch für die Amerikaner der einzige derzeit verfügbare Express zur ISS. Noch heute kann sie mit der Falcon-9-Rakete, die Elon Musk mit seinem Unternehme­n SpaceX regelmäßig zünden lässt, mithalten.

Und doch: Schnell wurden Erinnerung­en an die US-Raumfähre „Challenger“wach: Sie war im Jänner 1986 nach 73 Sekunden explodiert und für sieben Astronaute­n zum fliegenten den Grab geworden. 17 Jahre später traf dann das US-Spaceshutt­le „Columbia“das gleiche Schicksal, erneut starben alle sieben Crew-Mitglieder. Notlandung­en waren hier unmöglich – die Sojus-Kapsel ist auch dafür ausgericht­et, obgleich sie festen Untergrund benötigt.

Sämtliche Sojus-Flüge wurden bis auf Weiteres ausgesetzt. An Bord der ISS, 400 Kilometer über der Erde, müssen der deutsche Astronaut Alexander Gerst, die US-Astronauti­n Serena Aunon-Chancellor und der russische Kosmonaut Sergej Prokopjew weiter auf neue Gesellscha­ft warten. Gerst sollte im Dezember zurückkehr­en. Ob dieser Zeitplan nun halten kann, steht noch in den Sternen.

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AFP (2) Das Abheben klappte noch (links), dann versagte aber eine der Raketenstu­fen
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AP Alexej Owtschinin (links) und Nick Hague (rechts) konnten sich retten
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