Notlandung rettet Leben von Sojus-Crew
Stufe von Sojus-Rakete, die auf ihrem Weg zur Internationalen Raumstation war, versagte. Beide Raumfahrer an Bord konnten sich retten.
Allen stockte der Atem, die Blicke gebannt zum Himmel gerichtet: Als gestern ein Sojus-Raumschiff vom Weltraumbahnhof Baikonur im südlichen Kasachstan aus mit dem Ziel Internationale Raumstation (ISS) in das Firmament schoss, ging man von einem Routinestart aus. Immerhin zieht auch die ISS seit Jahrzehnten ihre Runden um unseren Planeten, seit 18 Jahren dauerhaft von Menschen besetzt.
Wenige Minuten der insgesamt mit sechs Stunden angesetzten Flugzeit waren vergangen, als etwas gewaltig schiefging. Die zweite Stufe der Sojus-FG-Trägerrakete dürfte versagt haben, vorangegangen wa- kleinere Explosionen am „Booster“. Mit an Bord: Der USAstronaut Nick Hague und Kosmonaut Alexej Owtschinin, sein russischer Kollege. So verheerend der Start war, so tadellos griff das nun geistesgegenwärtig eingeleitete Rettungsprozedere: „Sie leben, Gott sei Dank“, verkündete Kremlsprecher Dmitri Peskow, nachdem es den Männern gelungen war, die Sojus-Raumkapsel von der Rakete abzukoppeln, um mittels Fallschirmen notlanden zu können.
Die Kapsel ging nach russischen Angaben in weiterer Folge etwa 25 Kilometer von der Stadt Dscheskasgan entfernt nieder. Ein Großaufgebot von Rettungskräften brach auf, Ärzte konnten Entwarnung geben:
gescheitert, Notlandung aber erfolgreich – und: Astronaut und Kosmonaut wohlauf. Dass zunächst niemand wusste, wie die Sache ausgehen wird, zeigte auch die Tatsache, dass die US-Weltraumbehörde Nasa den LiveStream vom Start kappte.
Russische Ermittler haben eine strafrechtliche Untersuren chung des gescheiterten Starts einer Sojus-Rakete angekündigt. „Beamte untersuchen derzeit den Startplatz, Dokumente wurden beschlagnahmt“, erklärte der Ermittlungsausschuss. Eine Sonderkommission sei eingerichtet worden. Die Untersuchung soll demnach klären, ob beim Bau der Rakete Sicherheitsbestimmungen missachtet wurden.
Zu sagen, dass sich der SojusRaketentyp über viele Jahrzehnte bewährt hat, wäre eine dreiste Untertreibung: Bereits im Jahr 1957 brachte die als direkter Vorgänger geltende Interkontinentalrakete R-7 mit der legendären Sputnik 1 den ersten künstlichen Erdsatelliten in den Orbit. In wesentlich verbesserten und weiterentwickelMission
Varianten mauserte sich die Sojus zur meistgeflogenen orbitalen Rakete der Welt. Arbeitstier und Transportvehikel, nicht ohne Fehler, aber seit der Sowjet-Ära im Einsatz – und das mit einer Erfolgsquote von stolzen 97 Prozent. 850 Flüge sind es bislang insgesamt, die Sojus ist zudem auch für die Amerikaner der einzige derzeit verfügbare Express zur ISS. Noch heute kann sie mit der Falcon-9-Rakete, die Elon Musk mit seinem Unternehmen SpaceX regelmäßig zünden lässt, mithalten.
Und doch: Schnell wurden Erinnerungen an die US-Raumfähre „Challenger“wach: Sie war im Jänner 1986 nach 73 Sekunden explodiert und für sieben Astronauten zum fliegenten den Grab geworden. 17 Jahre später traf dann das US-Spaceshuttle „Columbia“das gleiche Schicksal, erneut starben alle sieben Crew-Mitglieder. Notlandungen waren hier unmöglich – die Sojus-Kapsel ist auch dafür ausgerichtet, obgleich sie festen Untergrund benötigt.
Sämtliche Sojus-Flüge wurden bis auf Weiteres ausgesetzt. An Bord der ISS, 400 Kilometer über der Erde, müssen der deutsche Astronaut Alexander Gerst, die US-Astronautin Serena Aunon-Chancellor und der russische Kosmonaut Sergej Prokopjew weiter auf neue Gesellschaft warten. Gerst sollte im Dezember zurückkehren. Ob dieser Zeitplan nun halten kann, steht noch in den Sternen.