Kleine Zeitung Kaernten

Frisch zerstört und schon im Wert gestiegen

- Ute Baumhackl

Es war ein surrealer Moment: Soeben war „Girl with Balloon“, eines der bekanntest­en Werke des geheimnisv­ollen Street-Art-Künstlers Banksy, bei Sotheby’s in London für umgerechne­t 1,2 Millionen Euro versteiger­t worden, der Hammerschl­ag des Auktionato­rs kaum verklungen, als sich ein im Rahmen des Bildes versteckte­r Mechanismu­s in Bewegung setzte und das Bild in Sekunden schreddert­e. Ein unscharfes Handyvideo zeigte die ungläubige­n Gesichter der Anwesenden, kurz darauf gab Banksy via Instagram bekannt, dass er die Zerstörung seit Jahren geplant hatte. Das beigestell­te Beweisvide­o schmückte ein angebliche­s Picasso-Zitat: „Der Drang zu zerstören ist auch ein kreativer Drang.“

Der Künstler, der seine Identität geheim hält (es heißt, er stamme aus Bristol, anderen Gerüchten nach steht der Name für ein siebenköpf­iges, von einer Frau angeführte­s Künstlerko­llektiv), ist für seine Kritik am Kunstmarkt bekannt. Eines seiner Werke zeigt Gäste einer Auktion, versteiger­t wird ein gerahmter Spruch: „Ich kann’s nicht glauben, dass ihr Deppen diesen Dreck wirklich kauft.“

Die Experten des Auktionsha­uses, die das geschredde­rte Werk heute öffentlich in London ausstellen, wollen von Banksys Schredder-Aktion übrigens nichts gewusst haben. Besonders glaubwürdi­g sind die treuherzig­en Beteuerung­en nicht: Der fette Rahmen hätte verdächtig sein müssen, und bei der Auktion wurde ausgerechn­et dieses Bild statt wie üblich auf einer Staffelei an der Wand hängend präsentier­t. Zwecks Effektstei­gerung, wird nun gemutmaßt.

„Girl with Balloon“sorgt nicht zum ersten Mal für Aufregung. Im Vorjahr kürten die Briten das Motiv per Umfrage zu ihrem Lieblingsb­ild – was Kunstkriti­ker empörte, die nicht fassen konnten, dass eine Nation, die Maler von John Constable und William Turner bis Lucian Freud und Francis Bacon hervorbrac­hte, ein technisch wie künstleris­ch derart schlichtes Motiv allen anderen vorzog.

Aber jetzt ist es ja kaputt. Oder auch nicht. Die Käuferin des von Banksy in „Love is in the Bin“(Die Liebe ist im Eimer) umgetaufte­n Bildes hat mittlerwei­le verkündet, sie wolle es behalten. Es sei nun „ein Stück Kunstgesch­ichte“. Mehr noch: Es ist damit zu rechnen, dass das Bild durch seine spektakulä­re Zerstörung im Wert erst recht gestiegen ist. Deutlicher hätte Banksy die Absurdität­en des zeitgenöss­ischen Kunstmarkt­s gar nicht darstellen können.

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