Jennifer Clement schießt in ihrem neuen Roman scharf und zielt dabei auf die USA.
Meine Mutter war eine Tasse Zucker. Man konnte sie jederzeit ausleihen.“Ein erster Satz wie ein aufgesetzter Bauchschuss. Die US-Autorin Jennifer Clement, bekannt geworden durch ein Buch über gestohlene Mädchen in Mexiko („Gebete für die Vermissten“), macht auch in ihrem neuen Roman keine Gefange- nen. Doch obwohl sie die (Schreib-)Waffe ständig im Anschlag hat, muss sie bei jedem Schuss die Tränen wegblinzeln. Gewalt ist das Generalthema von Clement, doch tiefes Mitgefühl ihre unumstößliche Haltung. Daraus entsteht ein Spannungsfeld zwischen Irrsinn und Zauber. Wäre dieses Buch ein Lied, würde es „Weeping Song“heißen und Nick Cave sich dazu das Herz herausreißen.
Die Story: Seit 14 Jahren lebt Pearl mit ihrer Mutter auf einem Trailerpark im Nirgendwo der USA. Ihr Heim ist ein Ford Mercury, ihr Halt das gegenseitige Träumen. Warum die Mutter von zu Hause wegging, erfährt man nur in kleinen Dosen, die ganze Wahrheit wäre wohl zu toxisch. Mutter und Tochter richten sich im Wenig ein. Doch dann kommt Eli: ein schöner Mann mit vielen Versprechungen und noch mehr Pistolen. Pearl verliert die Mutter, dann die Fassung, letztendlich den Halt. Im Kleinen zeichnet die Autorin ein dunkelgraues Zustandsbild des Großen. Das mündet in eine leidenschaftliche Entrüstung über eine Nation, die aufrüstet und abhalftert. Es war einmal in Amerika? Nein, es ist in Amerika!