Ein virtuoses Trio: Simone Buchholz, Max Annas und Friedrich Ani beweisen, wie brisant, zynisch und vielschichtig Kriminalliteratur ist.
Relativ bald. Oder vielleicht zwei, drei Jahre später.“Diese zwei Sätze stellte Max Annas seinem Roman „Finsterwalde“voran. Nicht als Motto, sondern als beklemmende Prognose. In Deutschland haben die Rechten endgültig die Macht übernommen, die Europäische Union gehört der Vergangenheit an, den gnadenlosen Säuberungen gehört die Zukunft. Kleinstädte im Osten Deutschlands, die bereits jetzt zerfallen, werden umfunktioniert in das, was sich auch unser Innenminister wünscht: konzentrierte Lager. Streng bewacht, mit hohen Zäunen samt Stacheldraht versehen. Hinaus kommt keiner, hinein kommen viele.
Eines dieser Lager befindet sich im einstigen Städtchen Finsterwalde. Dort landen nicht nur Asylanten, die nach Afrika oder Südamerika abgeschoben werden sollen, sondern auch Regimegegner. Die Denunziation blüht und gedeiht, die Überwachungsmethoden sind ausgeklügelt und flächendeckend, die Gehirnwäsche gelingt durch schon jetzt bekannte Phrasen perfekt.
Es ist ein Horrorszenario, das Max Annas, der zuvor einige exzellente Südafrika-Thriller schrieb, in seinem neuen Werk liefert. Aber es ist, das stellt sich bei der Lektüre rasch heraus, alles andere als weltfremd oder wirklichkeitsfern. Hier zeigt ein hellwacher Geist, in welchem Albtraum wir uns bereits jetzt befinden; das Solopfeifen im finsteren Wald hilft da nicht mehr. Pflichtlektüre. n allen Ecken und Enden brennt es auch in „Mexikoring“, dem neuen Polit-Thriller von Simone Buchholz. Aber sie hat sich, anders als Max Annas, dem Sarkasmus verschrieben. Auch wenn sie den Vergleich garantiert nicht mehr hören mag oder kann: Die Hamburger
AAutorin, mehrfach preisgekrönt, hat die Lakonie und den staubtrockenen Zynismus von Raymond Chandler im Blut. Und mit ihrer Protagonistin, der Staatsanwältin Chastity Riley, setzte sie die schlagfertigste Ermittlerin diesseits und jenseits des Äquators in die Welt. Simone Buchholz packt ebenfalls ein politisch heißes Eisen an – die Schlachten und Kleinkriege, die sich zugewanderte Familienclans liefern. Und nebstbei in Hamburg und Bremen Menschen und Autos abfackeln. Auf Gesetze und die Exekutive pfeifen sie aus anderen Gründen, ein Friedensrichter spricht am Ende der Gemetzel sein Urteil. Simone Buchholz versteht es mit Scharfblick, die Zeichen an der Wand richtig zu deuten. Pflichtlektüre Nr. 2. inlänglich bekannt sind die sprachlichen und erzählerischen Qualitäten von Friedrich Ani. Er startet in „Der Narr und seine Maschine“eine Parallelaktion. Sein stets wortkarger Detektiv Tabor Süden will das Feld räumen und für immer verschwinden. Ziellos, spurlos. Aber er wird von seiner Chefin überredet, sich noch einmal auf die Suche nach einem Verschwundenen zu machen. Der Vermisste war einst ein erfolgreicher Krimischriftsteller, der ebenfalls nur einen Wunsch hat. Auch er will, alt, leer geschrieben, leer gelebt, der Welt den Rücken kehren.
Letztlich kreuzen sich ihre Wege, das Gespräch der beiden Untertaucher gleicht einem seelischen Showdown. Eine melancholische Geschichte am Rande der Finsternis; dennoch führt sie, dem Moebiusband gleich, zumindest einige Schritte weit in die Unendlichkeit.
Simone Buchholz, Max Annas und Friedrich Ani lesen am 27. und 28. 10. in der „Wasnerin“in Bad Aussee. www.diewasnerin.at
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