Ein paar Gedanken über das Lesen. Und nein, Zeitungen oder Bücher sind dafür ausnahmsweise nicht erforderlich.
Bitte schreib etwas über das Lesen, sagte mir der Beilagenchef, das machen wir diesmal alle so. Die Buchmesse, du weißt.
Aber gerne, erwiderte ich und beschloss umgehend, Bücher, Zeitungen oder Magazine, ja die klassische Schrift überhaupt dabei außer Acht zu lassen. Und ich machte mich auf die Pirsch nach anderen Formen des Lesens.
Saisongemäß fiel mir als Erstes das Weinlesen ein. Hunderte Hände pflücken Tausende Trauben vom Stock, auf dass daraus diese wunderbare Droge werde.
Noch nicht perfekt bin ich in der Kunst, in den Augen meiner Gegenüber zu lesen, aber da dies das Einfallstor zum Gedankenlesen ist, übe ich fleißig.
Dann wiederum gibt es Menschen, die behaupten, aus den Handflächen die Zukunft einer Person lesen zu können. Wenn das mit der Lebenslinie stimmt, werde ich ein Hundertjähriger, was ich stark bezweifle.
Sicher kennen Sie den Ausdruck „jemandem die Leviten lesen“. Das sind meist Menschen, die davor die Zeichen an der Wand nicht lesen konnten. Der Ausdruck selbst leitet sich vom mosaischen Buchkapitel Levitikus ab, das früher oft als Grundlage für priesterliche Strafpredigten herhalten musste.
Auf ihre Art lesen können auch Maschinen. Ich muss ihn erst auslesen, sagt der Mechaniker stets, wenn er seinen Laptop an mein Auto stöpselt.
Wirklich beeindruckt haben mich Spurenleser. In der Serengeti konnte einer nur an Konsistenz und Geruch von Elefantendung Alter und Gewicht des Tieres bestimmen. Und in Nepal schätzte der Guide anhand einer Tigerspur und der Windstärke fast auf die Minute genau, wann das Tier vorbeigekommen war. Er meinte, vor 20 Minuten. Wir fröstelten trotz Hitze.
Sie sehen, es gibt viele Arten, „belesen“zu sein. Nicht immer bedarf es dazu der Bücher.