Ohne Wahrheit kein Himmel
Bischof Reinhold Stecher findet klare Worte, wenn es um die NS-Zeit geht, denn: „Die Wahrheit kann beschämend sein, aber sie macht wachsamer für Gefahren.“
Zum 80. Mal jährt sich am 9. November die Reichspogromnacht, in der Tausende Synagogen und Bethäuser in Flammen aufgingen, unzählige Geschäfte, Wohnungen, jüdische Friedhöfe zerstört und Hunderte Menschen getötet wurden. Sie steht am Beginn jenes Buches, in dem Erinnerungen des langjährigen Tiroler Bischofs Reinhold Stecher an Diktatur und Krieg gesammelt und neu geordnet sind.
Es ist eine Kombination aus Persönlichem, etwa die Fassungslosigkeit der Mutter über das NS-Regime, aber auch Analytisches: „In der Kristallnacht hat der nationalsozialistische Staat sozusagen vor der Weltgeschichte feierlich seine Visitenkarte abgegeben, den Ausweis mit der fundamentalen Auflösung des Rechts- staats.“Wobei einer der großen Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts in Österreich ebenso den christlichen Antijudaimus direkt anspricht, denn: „Wenn man in die
Welt mehr Licht bringen will, darf man dem belastenden Schatten der Vergangenheit nicht ausweichen.“
Eindrücklich sind auch die Zeichnungen im Buch, das Paul Ladurner nun, gut fünf Jahre nach Stechers Tod, herausgegeben hat: Schwarze Figuren, die die Hände zum „Heil Hitler“-Gruß erhoben, sich vor dem Goldenen Dachl versammeln, umrahmt von Hakenkreuzfahnen. Im Vordergrund: ein Kreuz ...
Und der Oberhirte bezieht Stellung: „Wir haben nie daran geglaubt, dass es zwischen
Christentum und Nationalsozialismus je einen Kompromiss geben konnte. Darum haben wir den Versuch Kardinal Innitzers, mit einer Gefälligkeitserklärung das Schlimmste von der Kirche abzuwehren, nie verstanden. Aber Innitzer war nicht einfach die Kirche. Für die treue Basis der Kirche begann sofort die Verfolgung. Im Gau Tirol war sie am radikalsten.“
Stecher erzählt auch von seiner eigenen Haft im GestapoGefängnis 1941 – wegen einer Protestwallfahrt – und der Zeit an der Front. Doch eine Episode überstrahlt alles: Weihnachten 1943 in Nordkarelien, unter einem unbeschreiblichen Himmel: „Es war wie eine gewaltige Show zum alten Lied ,O Heiland, reiß die Himmel auf ‘.“
Reinhold Stecher. Der blaue Himmel trügt. Tyrolia, 159 Seiten, 19,95 Euro.