Fall Khashoggi bringt Saudi-Arabien in schwere Bedrängnis. Hinweise deuten auf einen Staatsmord an dem Journalisten.
Noch liegen nicht alle Beweise im Fall Khashoggi auf dem Tisch: Doch sollten sich die grauenvollen Indizien bewahrheiten, ist das Verhältnis Saudi-Arabiens mit der westlichen Welt nachhaltig beschädigt.
Vor mehr als zwei Wochen verschwand der saudische Journalist Jamal Khashoggi unter mysteriösen Umständen. Ein hochrangiger türkischer Behördenvertreter teilte nun mit, dass die Polizei einen „gewissen Beweis“für die Ermordung des Journalisten im saudischen Konsulat in Istanbul bei der Durchsuchung dort gefunden hat.
Das saudische Königshaus sucht händeringend nach einem Ausweg aus der diplomatischen Megakrise, die es sich mit dem mutmaßlichen Staatsmord an dem Journalisten Jamal Khashoggi eingehandelt hat. Neueste Idee ist nach Berichten von USMedien, den Tod des Regierungskritikers im Konsulat von Istanbul nun doch als „schiefgelaufenes Verhör“und „versuchte Entführung“einzugestehen und die ganze Operation als eine eigenmächtige, aus dem Ruder gelaufene Tat übereifriger Geheimdienstler zu plakatieren. Eine solche Version brachte am Montag US-Präsident Donald Trump ins Spiel, offenbar um die laufenden 110 Milliarden Dollar Rüstungsgeschäfte mit dem Königreich vor den wachsenden Turbulenzen abzuschirmen. „Es klang mir eher so, als sei er möglicherweise von Schurken getötet worden“, erklärte Trump nach einem zwanzigminütigen Telefonat mit König Salman, in dem der greise saudische Potentat erneut jede Verwicklung seines Landes in den Fall Khashoggi kategorisch bestritt.
Derweil traf US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag in Riad ein, um „aus erster Hand“zu erfahren, was in dem saudischen Konsulat vorgefallen sei. Am Vormittag sprach er für rund 15 Minuten mit König Salman, der offenbar die ganze Tragweite des Geschehens nicht mehr erfasst. Anschließend konferierte Pompeo, der heute nach Ankara weiterreisen will, mit Mohammed bin Salman. „Wir sind starke und alte Verbündete, wir meistern unsere Herausforderungen gemeinsam“, beschwor der Kronprinz demonstrativ das saudischamerikanische Verhältnis. Noch liegen nicht alle Beweise
auf dem Tisch. Sollten sich die grauenvollen Indizien jedoch bewahrheiten, wird dies das Verhältnis Saudi-Arabiens mit der westlichen Welt nachhaltig beschädigen.
Unvorstellbar, dass Mohammed bin Salman jemals wieder als gefeierter Reformer durch Europa und die USA tourt. Vielleicht steht sogar seine eigene Thronfolge zur
Disposition, weil der 33-Jährige mit Racheblut an den Händen auf dem internationalen Parkett nicht mehr vorzeigbar ist. Auch die hektischen Versuche hinter den Kulissen werden scheitern, das blutige Debakel jetzt in eine ruchlose Kommandoaktion von außer Kontrolle geratenen Sicherheitsdiensten umzudeuten und damit den Junior-Herrscher aus dem Rampenlicht zu bringen. Mindestens drei der Täter gehören zur unmittelbaren Entourage des Kronprinzen, von dem mitangereisten Chef der staatlichen Gerichtsmedizin ganz zu schweigen.
Und so könnte sich bereits nächste Woche zeigen, wohin die Reise geht für das Ansehen Saudi-Arabiens und seines skrupellosen Königssohnes. Vom 23. bis 25. Oktober hat dieser zu einem „Davos in der Wüste“nach Riad geladen, um viele der hochfliegenden Milliardenprojekte seiner „Vision 2030“bei ausländischen Investoren unterzubringen. Die Traumschau des arabischen Königreiches steuert auf ein Fiasko zu. Es hagelt Absagen, weil Konzernchefs und Finanzmanager mit diesem Saudi-Arabien nicht in Verbindung gebracht werden möchten. Selbst Siemens-Chef Joe Kaeser, der noch nie ein Problem hatte, nahöstlichen Diktatoren die Hand zu schütteln, ließ mitteilen, er verfolge die Entwicklung genau. Ähnlich unentschlossen äußerten sich USFinanzminister Steve Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde.
Die Liste der despotischen Fehlgriffe Saudi-Arabiens wird immer länger – der sinnlose und verheerende Krieg im Jemen, die Isolierung Katars und die Zertrümmerung des Golf-Kooperationsrates, das bizarre Kidnapping des libanesischen Regierungschefs Saad Hariri sowie die Verhaftung Hunderter Frauenrechtlerinnen, Kleriker, Journalisten und Andersdenkender.