Kleine Zeitung Kaernten

Warnsignal­e aus allen Richtungen

Wenn heute Abend beim EU-Gipfel in Brüssel der Brexit diskutiert wird, dann muss Theresa May deutlich konkreter sein als in Salzburg.

- Von Andreas Lieb, Brüssel

Ein zweites Salzburg – das wollen die Staatsund Regierungs­chefs ganz sicher nicht, wenn sie sich heute Abend in Brüssel zum Oktober-Gipfel treffen. In Salzburg hatten die Gespräche zum Brexit zwar in gelösterer Atmosphäre als davor stattgefun­den, Theresa May blieb bei ihrem Statement allerdings Vorschläge schuldig, die für die Rest-EU akzeptabel gewesen wären, was die Sache nicht weiterbrac­hte, in England aber wütende Attacken der Boulevardp­resse gegen die Union auslöste. May ist auch heute zum Beginn des Abendessen­s eingeladen, um noch einmal Verhandlun­gsposition­en auf den Tisch zu legen – dann muss sie das Bankett aber verlassen und die EU-27 bleiben mit dem Problem zurück.

Ratspräsid­ent Donald Tusk hatte in seinem Einladungs­brief zum Gipfel den Briten schon am Montag einen Schuss vor den Bug verpasst, der wegen der klaren Worte sofort für wilde Spekulatio­nen sorgte: „Ein Scheitern der Gespräche ist wahrschein­licher denn je“, hatte er es formuliert, bloß um zu ergänzen, man müsse auch weiterhin alles für ein bestmöglic­hes Abkommen versuchen. Gestern setzte er nach und sagte, er erwarte sich von May „konkrete Vorschläge, wie wir aus der Sackgasse kommen.“Für den Durchbruch, auf den alle warten, seien „neue Fakten“nötig. Längst ist klar – und war auch nie geleugnet worden –, dass sich Brüssel auf den dramatisch­en Fall eines „No Deal“minutiös vorbereite­t, was wegen der unabsehbar­en Folgen nach dem 29. März 2019 ohnehin ein Gebot der Stunde ist.

Ratsvorsit­zender Sebastian Kurz hatte daraufhin, wie berichtet, die Optimismus­keule ausgepackt und bei seinem Besuch bei Amtskolleg­e Mark Rutte in Den Haag ausdrückli­ch gesagt, dass die Nordirland­frage, um die sich (fast) alles dreht, „jedenfalls lösbar“ sei. So weit wollte sich EUMinister Gernot Blümel gestern beim Brexit-Rat in Luxemburg nicht hinauswage­n. Es sei noch zu früh, um etwas über neue Ergebnisse zu sagen. Blümel sieht nicht einmal die Voraussetz­ungen für den im November angedachte­n Sondergipf­el gegeben; allerdings gibt es keine weiteren Möglichkei­ten, einen Kompromiss zu finden, selbst wenn Sebastian Kurz sagt, „ein paar Wochen mehr Verhandlun­gszeit“seien nicht entscheide­nd, wenn man damit den „harten Brexit“verhindern könne.

EU-Chefverhan­dler Michel Barnier spricht vom Dezember als „endgültige­r Deadline“wegen der nötigen Ratifizier­ungen. Über eine neue Möglichkei­t des Entgegenko­mmens berichtet die FAZ: Die EU habe den Briten angeboten, länger als geplant im Binnenmark­t und in der Zollunion bleiben zu können, also die Übergangsp­eriode zu verlängern.

Und so zeichnet sich ab, dass auch dieser Gipfel ohne konkrete Entscheidu­ng vorübergeh­en wird. Was Angela Merkel als „Quadratur des Kreises“bezeichnet, umschreibt Donald Tusk so: „Ich sehe einen neuen gordischen Knoten. Aber keinen Alexander, der ihn

durchschlä­gt.“

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PISMESTROV­IC Karten auf den Tisch: Theresa May muss Farbe bekennen

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