Die Wetteraussichten: zunehmend wärmer
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß: Sprechen wir über den Klimawandel. Wie andere unliebsame Fakten beschert er uns sogenannte „kognitive Dissonanz“: Eigentlich müsste man etwas dagegen tun, aber das ist schwierig beziehungsweise unangenehm. Also erklären wir ihn lieber weg, auch vor uns selbst.
Dafür gibt es diverse Argumentationsfiguren: Der Klimawandel sei nicht vom Menschen verursacht. Er sei eine Erfindung der Chinesen, um unserer Industrie zu schaden. (Die antisemitische Version: George Soros habe ihn erfunden, spekulationshalber.) Er sei insgesamt von Vorteil (es wird wärmer, Kaltregionen werden nutzbar etc.). Er sei Realität, aber wir könnten ohnehin nichts dagegen tun. Er sei Realität, aber es gebe wichtigere Probleme. Er sei Realität, aber uns persönlich werde er nicht mehr betreffen (hinter mir die Sintflut). Er sei Realität, aber die Menschheit habe noch immer eine (technische) Lösung für alle Probleme gefunden. (Das reicht bis zu „Dann besiedeln wir eben den Mars“; viel Vergnügen!)
Sowohl UN-Generalsekretär António Guterres als auch der Weltklimarat appellierte jüngst flammend: „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit.“„Wir haben keinen Planeten B.“Nach allem, was wir wissen, ist der Klimawandel real, schreitet rapide fort und ist in dieser Form durch das Industriezeitalter verursacht. Tückisch ist dabei das irreversible Überschreiten von Kipppunkten. Es ist wie beim Knollenblätterpilz: Sobald man symptomatisch merkt, dass man einen verzehrt hat, ist es bereits zu spät.
Es ist wie beim Knollenblätterpilz: Sobald man symptomatisch merkt, dass man einen verzehrt hat, ist es bereits zu spät.
Es braucht schleunigst Maßnahmen auf weltpolitischer Ebene, um wirksam gegenzusteuern, ebenso wie individuelle Verhaltensänderungen (z. B. in der Ernährung). Der Politik ist das nationale Hemd aber meist näher als der globale Rock, und morgen ist näher als 2040. Für unser eigenes Verhalten wiederum ist alles schwierig, was auf puren Verzicht hinausläuft. Eines aber sollte klar sein: Davon, dass wir den Klimawandel ignorieren, wird er gewiss nicht verschwinden.
Oliver Vitouch ist Rektor der Universität Klagenfurt und Vizepräsident der Universitätenkonferenz