Frauenrecht der unbewiesenen Beschuldigungen?
Täter-Opfer-Umkehr ist keine Seltenheit. Frauen können darüber ein Lied singen, ein ORF-Moderator singt es auch.
Urteile werden zurzeit viele gefällt. Da erhält eine ExGrünen-Abgeordnete obszöne Nachrichten, glaubt den Verfasser zu kennen und wird wegen übler Nachrede verurteilt. Weil mehrere Personen Zugang zu diesem Computer hatten. Ein ORF-Moderator wiederum muss sich gefallen lassen, sein Foto in Zeitungen zu sehen, weil er beschuldigt wird, seine ExFreundin geschlagen zu haben. Ob die Beschuldigung stimmt? Es gilt die Unschuldsvermutung? Nein, Auftritte im ORF hat er derzeit keine mehr. Er steht vorverurteilt am Pranger. In einem Interview hat er jetzt die Beschuldigung als Versuch bezeichnet, ihn zu vernichten. Er habe, sagt er, ein „furchtbares SMS geschrieben“, aber noch nie eine Frau geschlagen. Mag stimmen, mag nicht stimmen. Das Gericht wird Schuld oder Unschuld zu klären haben. Aber wie immer diese Geschichte ausgeht, es ist inakzeptabel, dass ein Mensch vorverurteilt als Schläger an den Pranger gestellt wird. Wie kommentierten Politikerinnen zu Recht das Urteil im Fall der grünen Ex-Abgeordneten? Als klaren Fall einer „Täter-Opfer-Umkehr“, weil die attackierte Frau verurteilt wurde. Und im Fall des Moderators? Er kann Täter sein, er kann Opfer sein.
Männervertreter witzeln nun bereits über ein „Frauenrecht der unbewiesenen, öffentlichen Beschuldigungen von Männern“. Als ob nicht gerade Frauen zu oft auf Anzeigen verzichtet haben – aus Angst vor Verleumdungsklagen, aus Angst, als Lügnerin diffamiert zu werden. Als ob nicht gerade echte Opfer deshalb mutlos wurden. Nur: Letzteres kann kein Grund sein, künftig Menschen noch vor der Entscheidung des Staatsanwalts auf dem Marktplatz anzuklagen.
Rechtsprechung gehört ins Gericht, nicht auf mediale Marktplätze, die Existenzen vernichten können.