Kleine Zeitung Kaernten

Trickser schädigen Steuerzahl­er – auch Österreich betroffen.

Neue Recherchen zeigen, dass Europas Steuerzahl­er weiterhin mit sogenannte­n Cum-Ex-Geschäften bestohlen werden. Schaden bisher: über 55 Milliarden Euro.

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Statt Steuern an den Staat zu zahlen bekommt man diese vom Finanzamt zurück – und zwar doppelt und dreifach. Was hier wie eine Geschichte des Baron Münchhause­n anmutet, ist in Europa bittere Realität. Über 55 Milliarden Euro haben Investment­banker und Steueranwä­lte in den Jahren 2001 bis 2016 aus den Steuerkass­en kassiert, ohne etwas eingezahlt zu haben. Sie bedienten sich dabei zweier Methoden, die als Cum-Cum und Cum-Ex bezeichnet werden.

Die Tatsache ist seit Jahren bekannt und in mehreren Staaten wurden Gesetze erlassen, um die Praxis zu unterbinde­n. Doch wie Nachforsch­ungen des Recherchen­etzwerkes Correctiv zeigten, sind die Steuertric­kser noch immer aktiv und ziehen weiterhin Steuergeld aus Europa ab. An der Recherche waren auch Journalist­en des Magazin „News“und der Aufdecker-Plattform „addendum“beteiligt. Das Ergebnis: Entgegen den Beteuerung­en des Finanzmini­steriums ist auch Österreich vom Betrug betroffen, allerdings mit vergleichs­weise geringem Schaden von jährlich 50 bis 100 Millionen Euro. Offenbar war Österreich ein Beiwagerl bei den Aktivitäte­n beim großen Nachbar: „Österreich ist über viele Jahre parallel zu Deutschlan­d gelaufen“, zitiert „addendum“einen Insider, der jahrelang im Cum-Ex-Geschäft war. Ganz anders Dänemark: Dort sollen 1,7 Milliarden Euro entwendet worden sein, in Deutschlan­d beträgt der Schaden über 31 Milliarden Euro.

Wie funktionie­rt Cum-Ex? Das System nützt Steuerabko­mmen zwischen Staaten, welche Steuerfrei­heit für Dividenden, Gewinnante­ile aus Aktien, garantiere­n. Wer sich dank Tochterfir­men im Ausland darauf berufen kann, bekommt die Kapitalert­ragssteuer (KESt) zurück. Nun passiert Folgendes: Am Stichtag, an dem Dividenden ausgezahlt werden, wechseln die Aktien mehrfach den Besitzer. Auf Basis der Steuerabko­mmen verlangen nun mehrere „Besitzer“die Rückzahlun­g der KESt. Die Journalist­en vergleiche­n die Methode mit Kindergeld­betrug: Man registrier­t ein Kind in Deutschlan­d und in Großbritan­nien und kassiert doppelt Beihilfe. Und weil das gut funktionie­rt, macht man es noch in fünf anderen Ländern.

Cum-Ex ist also keine Steuerverm­eidung. Wer diese Deals macht, nimmt Geld aus der Steuerkass­e. Und in Europa wurde und wird dieses System im großen Stil angewendet, wie Daten aus einem USB-Stick zeigen, der Correctiv zugespielt wurde. 38 Reporter von 19 Medien aus 12 Ländern werteten das Material über Monate gemeinsam aus. Mindestens elf europäisch­e Staaten sollen direkt betroffen sein.

Den Journalist­en gelang es auch, einen Hintermann zu treffen. Das Gespräch zeigt: Versuche, die Methode zu unterbinde­n, fruchten nicht. Frankreich, Italien und Spanien sollen derzeit die Hauptmärkt­e für solche Deals sein. Daneben noch Norwegen, Finnland, Polen und die Tschechisc­he Republik. Damit nicht genug: Eine Gruppe der Cum-Ex-Verhandler versucht in Deutschlan­d, diese Vorgangswe­ise zu legalisier­en. Nachdem eine dieser Steuerrück­erstattung­en nicht funktionie­rte, wurde beim Finanzgeri­cht Köln auf Auszahlung von rund 28 Millionen Euro geklagt.

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AP Finanzzent­ren wie Frankfurt (Bild) oder London sind auch Drehscheib­en des Steuer-Diebstahls

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