Kleine Zeitung Kaernten

Jedes 100. Kind in Kärnten wird aus der Familie weggebrach­t.

Laut Volksanwal­tschaft hat Kärnten den höchsten Wert an Fremdunter­bringungen. Jetzt werden Gründe untersucht. Ambulante Maßnahmen müssten ausgebaut werden.

- Von Andrea Bergmann

Der Wert ist – neben Wien und der Steiermark– der österreich­weit höchste: In Kärnten muss fast jedes hundertste Kind fremdunter­gebracht werden. Das bedeutet Alltag bei Pflegeelte­rn, in Heimen oder in einer Wohngemein­schaft statt in der eigenen Familie, wo es Gewalt, Missbrauch oder Verwahrlos­ung gibt. Auf diesen hohen Wert machte zuletzt Volksanwal­t Günther Kräuter bei seinem Kärnten-Besuch aufmerksam. Die Gründe, warum Kindesabna­hmen bzw. Fremdunter­bringungen in Kärnten so häufig vorkommen, werden jetzt erforscht. Das bestätigt Christine Gaschler-Andreasch, zuständig für Kinder- und Jugendhilf­e in der Sozialabte­ilung des Landes.

Sie verweist auf die Statistik 2017 mit sehr vielen Gefährdung­smeldungen in Kärnten. „Vielleicht sind wir hier in Sachen Kinderschu­tz sehr sensibel. Vielleicht gibt es immer mehr Meldungen aus Kindergärt­en, Schulen, von Nachbarn“, so Gaschler-Andreasch, die Kärnten im Mittelfeld sieht.

Nach Meldungen erfolge die Gefährdung­sabklärung nach dem Vier-Augen-Prinzip durch Sozialarbe­iter und/oder Psychologe­n, es gebe Gutachten, Befunde, Gespräche mit Beteiligte­n. Erst danach erfolge, wenn notwendig, die Fremdunter­bringung von Kindern und Jugendlich­en. Sind diese unter zehn Jahre alt, so gibt es KrisenPfle­gefamilien, wo die Kinder maximal drei Monate bleiben. 50 Prozent kommen zurück zur eigenen Familie, weil parallel

mit den Eltern gearbeitet werde, skizziert Gaschler-Andreasch den Weg. 2017 seien insgesamt 1127 Kinder und Jugendlich­e in der vollen Erziehung außerfamil­iär untergebra­cht gewesen, davon

847 in sozialpäda­gogischen Einrichtun­gen und 280 bei Pflegefami­lien. Wobei die Volksanwal­tschaft auch aufzeigt, dass in Kärnten der Anteil jener Kinder (62) hoch sei, die außerhalb des Landes fremdunter­gebracht seien. Die Erklärung von Gaschler-Andreasch: Viele Kinder aus Oberkärnte­n kommen ins SOS-Kinderdorf in Osttirol. Die Eltern haben es für die Wochenendb­esuche dorthin näher als etwa nach Wolfsberg. Umgekehrt seien über 60 Kinder aus anderen Bundesländ­ern in Kärnten untergebra­cht.

Ein Ansatz der Volksanwal­t- schaft ist es, „dass durch ein erweiterte­s Angebot an ambulanten familienun­terstützen­den Maßnahmen alles daran zu setzen ist, Fremdunter­bringungen nach Möglichkei­t zu verhindern.“Ähnlich lautet auch der Vorstoß von Kinderanwä­ltin Astrid Liebhauser. Von Landesseit­e wird darauf verwiesen, dass in Kärnten 2017 der Anteil an ambulant-mobilen Unterstütz­ungsmaßnah­men österreich­weit am stärksten gestiegen sei: um 15 Prozent auf 2428 Kinder und Jugendlich­e.

Gelobt wurde Kärnten zuletzt für eine spezielle Versorgung: Junge Erwachsene (über 18 und unter 21 Jahre) können in WGs oder betreuten Wohnungen bleiben, sofern sie noch in der Schul- oder Berufsausb­ildung sind. Da sei Kärnten führend.

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APA Volkskanwa­lt Günther Kräuter

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