„In der Kunst darf es kein Pardon geben“
Sie verschießt Wörter wie Giftpfeile und pfeift auf politische Korrektheit. Heute zeigt Kabarettistin Lisa Eckhart in Klagenfurt ihr Programm „Die Vorteile des Lasters“.
Klug, auf exzellentem sprachlichem Niveau, gnadenlos-pointiert und ohne die politische Unkorrektheit zu scheuen, arbeitet sie an dem Gesamtkunstwerk ‚Lisa Eckhart‘. Und dabei bereichert sie den schwarzen Humor um eine neue schillernde Facette.“
Mit diesen Worten begründet die Jury die Vergabe des KabarettPreises „Salzburger Stier 2019“an Lisa Eckhart (mehr dazu heute auf Seite 3, unter der Rubrik: „Im Blickpunkt“). Die 26-jährige Künstlerin ist heute Abend mit ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“in Klagenfurt zu Gast und stimmt damit auch auf die am 24. Oktober beginnenden österreichischen SlamMeisterschaften ein, die sie im Jahr 2015 selbst gewonnen hat. Vorweg hat sie uns per Mail ein paar Fragen beantwortet.
Sie behaupten von sich selbst, im Herzen Pensionistin zu sein. Das ist ja eigentlich etwas Positives, schließlich bringt Älterwerden ja Gelassenheit mit sich. Was haut Sie dennoch aus der Bahn?
LISA ECKHART: Wenn mich etwas sprachlos macht, dann sind es Takt-, Respekt- und Distanzlosigkeit. In der Kunst darf es naturgemäß kein Pardon geben, keine Rücksicht oder Sanftmut. Aber ich würde niemals Menschen abseits der Bühne mit meinen Meinungen oder gar Empfindungen behelligen.
Im Alter werden Tugenden eher bereut als Laster. Geht es Ihnen in Ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“auch um die Angst, nicht intensiv genug zu leben?
In der Tat, es geht um den Wahn einer Gesellschaft, die glaubt, in der Ausübung größtmöglicher individueller Freiheit läge das wahre Glück verborgen. Das endet aber meist in einer ungus-
tiösen Promiskuität, lautem, diffusem Meinungsgeschrei und einem verkrampften Genießen-Müssen. Das Programm lobt die Vorteile des Lasters ebenso wie jene der Tugenden, welche sich nun einmal bedingen.
Sie sind dafür bekannt, dass Ihnen Mittelmäßigkeit nicht genügt. Macht das Streben nach Überdurchschnittlichkeit denn nicht einsam?
Meine Einsamkeit ist niemals eine wehleidige. Wo andere Angst haben, irgendetwas zu verpassen, habe ich riesige Angst, irgendetwas erleben zu müssen.
Was halten Sie von der „MeToo“-Debatte?
Mittlerweile verkommt es immer mehr zu einem trotzigen Feldzug zahlreicher, nach der Erstlektüre feministischer Literatur aufgewühlter junger Frauen gegen den „weißen, alten Mann“. Eine wunderbare Option für all jene, die sich fanatisch ideologisch betätigen wollen, aber weder für eine fundamentalistische Religion noch für rechte, rassistische Hetze begeistern können.
Wie definieren Sie Weiblichkeit?
Die wohl ästhetischste Form von Macht.
Themenwechsel: Wie sind Sie eigentlich zum Poetry Slam gekommen?
Angelockt und abgestoßen von dem Konzept der offenen Bühne war es zu diesem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit, gesehen und gehört zu werden.
Wofür schlägt Ihr Herz mehr – Poetry Slam oder Kabarett?
Weder noch. Poetry Slam war und Kabarett ist ein sich mir bietendes Einfallstor in die Welt. Ich hätte auch jedes andre genommen und werde auch jedes weitere nehmen, welches in einem schwachen Moment einen Spalt breit offen steht.
Während Sie Jelinek, Faust und Falco inspirieren, haben Sie sich in der Vergangenheit zum Kärntner Autor Peter Handke kritisch geäußert und gemeint, er mache keine Literatur. Warum?
„Kritisch geäußert“klingt, als hätte ich substanzielle, fundierte Kritik geübt. Nein, ich zog schlicht über ihn her. Mehrfach. Das möge er sich aber bitte nicht auf die Fahne schreiben.
Ursprünglich wollten Sie ja Lehrerin werden – warum haben Sie sich anders entschieden?
Weil sich Kinder als ungeeignetes Publikum erwiesen. Meine Zuschauer geben ihre Rechte auf körperliche und geistige Unversehrtheit an der Garderobe ab. Hier existieren keine individuellen Befindlichkeiten, sondern Kunst und die schmerzt zuweilen eben. Ich hätte Erziehung ähnlich vollzogen, aber das sieht die Pädagogik von heute nicht gern.
Wenn Sie eine Bilanz Ihres bisherigen Lebens ziehen müssten, wie würde diese aussehen?
Jetzt bereits Bilanz zu ziehen, wo noch kaum etwas erreicht ist auf dem Weg ins Pantheon, das erschiene mir verwegen. Sie dürfen in Zukunft alles erwarten, denn weniger erwart’ ich auch nicht.