Kleine Zeitung Kaernten

Ein Jahr nach der Bluttat von Stiwoll fehlt jede Spur von Friedrich Felzmann.

Ein Jahr nach der Tragödie in Stiwoll fehlt noch immer jede Spur von Friedrich Felzmann. 85.600 Stunden waren Polizeikrä­fte im Einsatz, 3,5 Millionen Euro kostete die Suche nach ihm bisher.

- Von Hans Breitegger

Es waren neun Schüsse, die am 29. Oktober 2017 in Stiwoll fielen, zwei Menschenle­ben auslöschte­n, eine Frau schwer verletzten – und das Leben für alle anderen mit einem Schlag veränderte­n. Seit einem Jahr ist in der idyllische­n Landgemein­de am westlichst­en Rand des Bezirkes Graz-Umgebung nichts mehr so wie früher. Der Fall Friedrich Felzmann liegt wie ein Schatten über dem kleinen Ort.

Bürgermeis­ter Alfred Brettentha­ler, der zwar bemüht ist, bei jeder Gelegenhei­t zu betonen, dass sich das Leben in Stiwoll wieder „vollkommen normalisie­rt“habe, ist diesmal für ein Interview nicht erreichbar. Überhaupt: Den Medien bleiben die Türen ein Jahr nach der blutigen Tragödie verschloss­en. Im Ort findet sich kaum jemand für ein Gespräch. Und wenn, dann ohne Namensnenn­ung. „Man weiß nie, vielleicht taucht der Fritz wieder auf ...“

Die Angst ist noch immer spürbar. Altbürgerm­eister Josef Brettentha­ler bringt es auf den Punkt: „Nichts ist wie früher. So lange wir nicht wissen, wo Felzmann geblieben ist, wird sich daran nichts ändern.“

Der Bruder des mutmaßlich­en Doppelmörd­ers und seine Frau, die einige Tage nach der Tat, der Kleinen Zeitung noch ein Interview gaben, schweigen jetzt. „Wir wollen dazu nichts mehr sagen.“Nur auf die Frage, ob sie noch immer Angst haben, schießt es der Frau aus dem Mund: „Und wie.“Der Bruder und die Schwägerin zählen zu jenen Personen, mit denen Felzmann in Feindschaf­t lebte.

Auch die Frau des Gesuchten will sich nicht äußern. Man habe es schon schwer genug. Von Ausgrenzun­g ist die Rede. Tatsächlic­h wollten die Töchter des Todesschüt­zen schon vor Monaten bei Vereinsver­anstaltung­en reden, ihre Sicht der Dinge darstellen. Bürgermeis­ter Alfred Brettentha­ler baten sie um Unterstütz­ung. Doch die blieb ihnen verwehrt.

Blicken wir zurück, auf den Tag der Ereignisse. Es ist Sonntagfrü­h, der 29. Oktober. Seit zwei Stunden schon liegt Friedrich Felzmann (66) im Obergescho­ß seines Wirtschaft­sgebäudes auf der Lauer, mit einem – vermutlich halb automatisc­hen – Jagdgewehr mit Zielfernro­hr, aufgelegt auf einer zusammenge­rollten Decke. Er starrt durch die Luke, beobachtet die Grundstück­sgrenze. Dort, etwa 30 Meter entfernt, treffen sich seine beiden jüngeren Töchter mit seinen verhassten Nachbarn: Adelheid H. (55), Martina Z. (68) und Gerhard E. (64).

Es geht um das Durchfahrt­srecht. Alle drei besitzen ein Servitut. Felzmann aber hat die Straße abgesperrt, weil sie niemand wirklich benötigt. Alle Nachbarn haben inzwischen eigene Zufahrten. Doch die drei Anrainer beharren auf ihrem Recht. Mehrere Prozesse hat Friedrich Felzmann schon verloren. Deshalb führt er auch „Krieg“gegen die Justiz, unter anderem im Internet.

Doch jetzt sind die Töchter Besitzer der Liegenscha­ft und wollen mit den Nachbarn reden, an Ort und Stelle.

Es ist kurz nach neun Uhr, als man sich an der Grundgrenz­e trifft. Im nächsten Moment fallen Schüsse. Tödlich getroffen brechen Adelheid H. und Gerhard E. zusammen. Martina Z. wird schwer verletzt, kann aber flüchten. Die beiden Töchter sehen gerade noch, wie ihr Va- ter in seinen VW Caddy steigt und davonfährt.

Als das Polizei-Großaufgeb­ot mit Spezialkrä­ften eintrifft, ist er längst „über alle Berge“. Erst 24 Stunden später wird das Fluchtfahr­zeug gefunden, etwa neun Kilometer vom Tatort entfernt. Wochenlang befindet sich Stiwoll im Ausnahmezu­stand. Bis zu 400 Einsatzkrä­fte suchen täglich nach Friedrich Felzmann, der seither auf Europas „Most Wanted“Liste gesuchter Verbrecher aufscheint.

Und die Fahndung ist noch nicht zu Ende. Erst kürzlich wieder sei der Polizeihub­schrauber über St. Pankrazen gekreist. Auch die Cobra sei im Einsatz gewesen, erzählt ein Ortsbewohn­er. „Die haben wieder nach ihm gesucht.“

3,5 Millionen Euro hat die Suche nach Friedrich Felzmann bisher gekostet. Das bestätigt Oberst Joachim Huber von der Landespoli­zeidirekti­on. 85.600 Stunden (Überstunde­n inklusive) waren die Einsatzkrä­fte in und um Stiwoll im Einsatz. 440 Hinweisen ist die Sonderkomm­ission nachgegang­en. Doch die Spur des mutmaßlich­en Doppelmörd­ers endet in jener entlegenen Gegend, neun Kilometer vom Tatort entfernt, wo Felzmann das Fluchtauto abgestellt hat.

Über den Verbleib des mutmaßlich­en Doppelmörd­ers gehen die Meinungen auseinande­r, auch in Stiwoll. „Der Fritz hatte einen Fluchthelf­er und lebt jetzt irgendwo im Ausland“, glauben die einen. „Er hat sich in irgendeine Höhle verkrochen und sich umgebracht“, sind andere wiederum überzeugt. „Er will nicht gefunden werden, seine Feinde sollen in Angst leben.“Weder für die eine noch für die andere These gebe es Beweise, so die LKAMorderm­ittler.

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Landespoli­zeidirekto­r Ortner mit SokoLeiter René Kornberger (links), in Tausenden Einsatzstu­nden wurde nach Felzmann gesucht
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