Eine Weltzivilisation statt digitaler Diktaturen
Yuval Noah Hararis Lektionen zur Zwillingsrevolution von Info- und Biotech.
In seinem nachdenklich stimmenden Buch „Homo Deus“schraubte Yuval Noah Harari die natürliche Altersgrenze auf 150 Jahre hinauf – mit Potenzial nach oben, dank Bio-Science, Big Data und künstlicher Intelligenz als Werkzeugen, Leben in Richtung Unsterblichkeit zu designen. So weit muss der israelische Autor in seinem jüngsten Buch erst gar nicht in die Zukunft blicken, um einhergehend mit der Unendlichkeit der Möglichkeiten auch einen drohenden Verlust der Selbstbestimmung durch das Zusammenwachsen von Informations- und Biotechnologie zu konstatieren. Weil nach dem Zusammenbruch von Kommunismus und Faschismus nun auch die Erzählung des Liberalismus an Glaubwürdigkeit verliere, beschäftigt er sich mit dem aktuellen politischen und technologischen Dilemma. In „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“warnt Harari vor der Gefahr digitaler Diktaturen, „in denen sich die gesamte Macht in den Händen einer winzigen Elite konzentriert, während die meisten Menschen nicht unter Ausbeutung zu leiden haben, sondern unter etwas viel Schlimmerem – unter Bedeutungslosigkeit.“
„Wem gehören die Daten?“, fragt Harari mahnend, wenn er KI-Ärzte Gehirne entwerfen und Menschen hacken lässt und intelligente Systeme massenhaft die Arbeit besser machen. Und was wäre, wenn Facebook seine Milliardengemeinde zur Weltgemeinschaft eines Algorithmus formiert? Was bedeuten noch Freiheit, Gleichheit, Gemeinschaft, die zentralen Werte der Moderne?
Als Antwort darauf kann sich die Welt nur als eine Zivilisation verstehen, mit Demut statt Cyberkriegsgerassel, Bildung statt Gehirnwaschmaschinen. Und mit ganz praktischer Politik, nicht nur zur Zähmung von Datenmacht. „Um kluge Entscheidungen über die Zukunft des Lebens zu treffen, müssen wir die nationalistische Perspektive überwinden.“Noch konkreter für die EU, der nicht vor Zuwanderung und Integration bangen sollte. „Es wäre äußerst unglückselig, würde das europäische Experiment in Sachen Freiheit und Toleranz durch eine übertriebene Angst vor Terroristen zunichtegemacht.“