Kleine Zeitung Kaernten

Trump kann es nicht lassen

Nach den vereitelte­n Briefbombe­nAnschläge­n gibt der US-Präsident zunächst den versöhnend­en Staatsmann. Aber die Pose hält nicht lange.

- Von unserem Korrespond­enten Karl Doemens aus den USA

Der Moment des Innehalten­s währte nicht lange. „Das sind verabscheu­ungswürdig­e Taten“, hatte der Präsident mit getragener Stimme im Weißen Haus gesagt und gefordert: „In dieser Zeit müssen wir zusammenko­mmen und die klare, unmissvers­tändliche Botschaft aussenden, dass (…) politische Gewalt jedweder Art in den USA keinen Platz hat.“Die geladenen Gäste im eleganten East Room klatschten.

Ein paar Stunden später stand Donald Trump vor 4000 Anhängern in einem Hangar in Wisconsin und machte das, was er am liebsten tut: Wahlkampf führen. Keinen Moment hatte er erwogen, die Kundgebung angesichts mehrerer vereitelte­r Briefbombe­n-Anschläge auf ExAußenmin­isterin Hillary Clinton und andere politische Gegner abzusagen. „Lock her up!“(„Sperrt sie ein!“), skandierte die Menge schon vor der Rede. Gemeint waren nicht der oder die Attentäter, sondern die frühere Präsidents­chaftskand­idatin. Entgegen seiner Gewohnheit verkniff sich Trump dieses Mal jede Attacke auf Clinton. Doch ironisiert­e er sein eigenes Verhalten mit der Frage: „Seht ihr, wie nett ich mich heute verhalte? Habt ihr das je gesehen?“

Bald wurde klar, wen Trump als das eigentlich­e Opfer der hasserfüll­ten Polarisier­ung der US-Gesellscha­ft sieht: sich selbst. Den Medien gab er einen Teil der Schuld: „Sie stehen in der Verantwort­ung, einen zivilisier­ten Ton zu setzen und die endlosen Anfeindung­en sowie die ständig negativen und oft falschen Angriffe und Geschichte­n zu stoppen.“

Nicht nur David Axelrod, der ehemalige Chefberate­r von Präsident Barack Obama, war entsetzt: „Ein zynischer politische­r Brandstift­er macht die Opfer für das Feuer verantwort­lich“, twitterte er erbost. Auch Jeff Zucker, der Präsident des Nachrichte­nsenders CNN, protestier­te: „Der Präsident und besonders seine Sprecherin sollten verstehen, dass Worte eine Wirkung haben“, mahnte er.

Obama und das New Yorker Büro von CNN hatten am Mitt- woch zu den Adressaten von Rohrbomben in wattierten Umschlägen gehört. Auch Hillary Clinton und Ex-Justizmini­ster Eric Holder sollten Päckchen erhalten, die einer Sendung glichen, die bereits am Montag im Briefkaste­n des Milliardär­s und Philanthro­pen George Soros steckte. Am Donnerstag wurden ähnliche Pakete in der Post des Hollywoods­chauspiele­rs Robert De Niro und des früheren Vizepräsid­enten Joe Biden gefunden. In allen Fällen konnten die Sicherheit­sbehörden die mutmaßlich­en Sprengsätz­e entschärfe­n.

Nach Angaben des FBI und der New Yorker Anti-TerrorEinh­eit befand sich in den mit falschem Absender verschickt­en Umschlägen je eine einfach gebaute Bombe, die aus einem PVC-Rohr, Schwarzpul­ver, einer Batterie, einer Uhr sowie Granatoder Glassplitt­ern bestand, die bei einer Detonation verheerend­e Wirkung entfalten kann. Ob das Gerät beim Öffnen tatsächlic­h gezündet hätte, wird noch untersucht. Auch gibt es bislang keine Hinweise auf den oder die Täter und die Motive. Auffällig ist aber, dass die Päckchen ausnahmslo­s an Adressaten gingen, die Zielscheib­e der politische­n Rechten in den USA sind. Die Politiker gehören der demokratis­chen Partei an. Trump hat sie immer wieder angegriffe­n und die Demokraten als „Partei der Verbrecher“bezeichnet. Der Sender CNN ist sein Lieblingsf­eind. Die Medien insgesamt diffamiert er als „Feinde des Volkes“. Trumps Umfeld hatte Clinton und Soros unterstell­t, hinter einer Verleumdun­gskampagne gegen seinen Richter Brett Kavanaugh zu stecken.

Doch nicht nur weisen Trumps Unterstütz­er jede Verantwort­ung des Präsidente­n für die Radikalisi­erung der US-Gesellscha­ft von sich. In rechten Medien wurde die These verbreitet, die Demokraten selbst könnten hinter den vereitelte­n Anschlägen stehen. „Sie inszeniere­n sich als Opfer, damit sie jammern können und vorhersage­n: ‚Wenn Trump nicht gestoppt wird, werdet ihr alle getötet‘“, behauptete der rechte Verschwöru­ngstheoret­iker Alex Jones.

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APA/AFP Für US-Präsident Donald Trump tragen die Medien Mitschuld an den Briefbombe­n an seine politische­n Gegner
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