Mit Blick auf die Umgebung
Von allen Seiten strömt Licht in das „Haus im Ort“, wie Planer und Bewohner das Objekt im obersteirischen Pruggern getauft haben. Das habe, sagt Hausherrin Heidi Seebacher, damit zu tun, dass der federführende Architekt wie sie hier aufgewachsen sei und das Umfeld genau kenne. Er ist ihr Bruder und Teil von HPSA, von Hammerschmid Pachl Seebacher Architekten. Die auch mit diesem Projekt beweisen, dass die von ihnen formulierten Prinzipien keine leeren Worte sind: „Wir legen Wert auf behutsamen Umgang mit vorgefundenen Gegebenheiten des Ortes. Die gestalterischen Ziele aus dem Entwurf werden unter Berücksichtigung der funktionalen, technischen und wirtschaftlichen Bedingungen verwirklicht.“
Die Ennstaler Gemeinde verfügt über einen Ortskern, in dem noch zahlreiche, höchst bemerkenswerte ländliche Architekturen erhalten sind. An diesen ist auch der Neubau auf einem kleinen Grundstück orientiert, das einst Teil des landwirtschaftlichen Ensembles von Heidi Seebachers Eltern war. Ein lang gestrecktes Wirtschaftsgebäude wurde auf die Hälfte reduziert, dient derzeit als Lager, soll aber in Zukunft zum Kreativ- und Yogaraum für Seebacher verwandelt sowie als Büro für ihren Partner Karl Thaler adaptiert werden.
Als Baumaterial entschied man sich – um auf problematisches Dämmmaterial, den umstrittenen „Vollwärmeschutz“, verzichten zu können – für 50 Zentimeter starke Ziegel. Sie sind im Erdgeschoß verputzt, im Obergeschoß mit Holz verkleidet. Wie überhaupt der Einsatz natürlicher Materialien ab- soluten Vorrang genießt. Bei der Heizung entschied man sich für Fernwärme.
Im Zentrum des Koch-, Ess- und Wohnraums, in dem Holz (Boden, Möbel) und Beton (Decke) im Dialog stehen, wärmt allerdings auch ein speziell entworfener Holzofen, dessen klare Form mit seiner Oberfläche spannend kontrastiert. Mithilfe von Styroporkügelchen wurden im Verputz Spuren erzeugt, die auch von Lebewesen stammen könnten. Heidi Seebacher: „Wir haben den Handwerkern einiges abverlangt.“Die exzellenten Professionisten, allesamt aus der Umgebung, hätten aber alle Wünsche perfekt umgesetzt: „Und sie haben sich dann auch über die Ergebnisse gefreut.“Das glaubt man gern.
Im ersten Stock, den man über eine, erneut im Zusammenspiel von Holz und Beton elegant gearbeitete, ebenfalls gut belichtete Treppe erreicht, befinden sich Badezimmer und drei gleichwertig großzügige Zimmer für die Kinder Emelie,
und Karl-Franz. Die Einbeziehung des Dachraums öffnet die Räume nach oben und ermöglicht jeweils das Einziehen einer zweiten Ebene für unterschiedliche Nutzungen.
Ebenfalls im ersten Stock und ebenfalls großzügig: das Elternschlafzimmer mit Ausblicken in (fast) alle Richtungen. Ein Dachfenster über dem Bett öffnet den Blick in den Sternenhimmel. Ein Schrankelement strukturiert den an die fünf Meter hohen Raum. Karl Thaler blickt nach oben und erinnert sich in einer Mischung aus Stolz und Schrecken an die Dämmungsarbeiten mit Steinwolle. Der Skitrainer aus Rohrmoos ist aber glücklicherweise in Form für solche Jobs.
Das „Haus im Ort“wurde heuer mit einer GerambRose des Vereins BauKultur Steiermark ausgezeichnet. „Das Haus steht da, als wäre es immer schon hier gewesen“, schreibt Georg Moosbrugger in der Broschüre zu den GerambRosen 2018. Nicht zuletzt diese behutSimon same, aber nicht anbiedernde Einfügung des Neubaus in das vorhandene Ortsgefüge habe die Jury überzeugt.
In diesem Zusammenhang ein Tipp für die nächste RosenJury: Gewissermaßen gleich um die Ecke haben HPSA auch für die Familie von Heidi Seebachers Schwester ein Haus geplant. Das sieht zwar nicht so aus, als wäre es schon immer hier gestanden, ist aber ein weiteres Beispiel dafür, wie man im ländlichen Raum neu bauen kann, ohne ihn zu beschädigen.