Kleine Zeitung Kaernten

Kommende Woche ist Allerseele­n. – Ein paar Geschichte­n über Tote, Sterbende und Pavarotti als Tröster in letzter Stunde.

- Frido Hütter

Kommende Woche gedenkt man wieder einmal der Toten, wie das am Allerseele­ntag üblich ist. Und der fällt diesmal auf den Freitag.

Mit fünfzehn hatte ich schon mehr Tote gesehen als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Und das kam so: Mein gütiger Onkel Hans wirkte als Distriktsa­rzt unserer Heimatgeme­inde. Als solchem oblag ihm auch die sogenannte Totenbesch­au, das heißt, die amtliche Feststellu­ng des Todes.

Als signifikan­te Überprüfun­g abwesenden Lebens galt es damals, dem Betroffene­n in die Augen zu leuchten und die Unbeweglic­hkeit der Pupillen festzustel­len. Da Augen über einen Schließmus­kel verfügen, bleiben sie bei Toten meistens offen. Den Hinterblie­benen war das oft unheimlich, also beschwerte­n sie die Lider ihrer Verblichen­en mit einer Münze.

Selbige hatte ich abzunehmen, bevor Onkel Hans mit seiner Taschenlam­pe ans Werk ging.

Nachdem er viele Jahre später zu Hause in meiner Gegenwart hochbetagt gestorben war, übernahm ich das als letzten Liebesdien­st. Auch wuschen wir ihn ein letztes Mal und kleideten ihn in seinen besten Anzug.

Es war November und so konnten wir ihn für eine Nacht daheim aufbahren. Ich hielt Wache, ließ unsere gemeinsame­n Erlebnisse Revue passieren und weiß seither, wie wichtig diese Form des Abschiedne­hmens von einem geliebten Menschen ist.

Und auch auf die Qualität des Sterbens muss man achten. Die über hundertjäh­rige Mutter meines Freundes A. starb vor einigen Wochen in seinen Armen.

In den letzten Stunden vor ihrem Tod halluzinie­rte sie die Anwesenhei­t mannigfalt­iger Menschen ihres Leben in ihrem Zimmer. Als A. dies merkte, sagte er ihr: „Mama, Pavarotti ist da, um für dich zu singen.“

Dann legte er „Nessun dorma“auf und seine Mutter entschlief mit einem Lächeln.

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