Die 80er: Kurt Waldheim spaltete das Land.
Eine Ära geht nur selten mit Glanz und Gloria zu Ende. Meist schleppt sie sich dahin bis zur Erschöpfung. Manchmal gibt es zum Abschied noch einen letzten Knall.
N ach einem Jahrzehnt im Kanzleramt am Ballhausplatz war Bruno Kreisky im Zenit angelangt. Der „Sonnenkönig“, wie er von den Medien hofiert wurde, herrschte absolutistisch wie ein Monarch. Obwohl er sein Verbleiben an der Spitze der Bundesregierung von einem „Ja“zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes in Zwentendorf an der Donau abhängig machte, sagte bei der Volksabstimmung eine knappe Mehrheit der Österreicher „Nein“. Kreisky dachte jedoch gar nicht an Rücktritt. Er tat seine Befürwortung der Atomkraft als seine persönliche Meinung ab; in der Demokratie treffe aber die Mehrheit die Entscheidung und diese respektiere er…
Schnelles und entschlossenes Handeln war angesagt. Kreisky rief vorgezogene Nationalratswahlen aus. Die SPÖ verfügte über eine komfortable Absolute. Die ÖVP hoffte, diese Übermacht endlich brechen zu können, zumal in der FPÖ Friedrich Peter, der Kreiskys Aufstieg durch die Stützung der Minderheitsregierung erst ermöglicht hatte, vom Grazer Bürgermeister Alexander Götz abgelöst worden war. Götz wirkte einem Bündnis mit der ÖVP, die nochmals mit dem ehemaligen Bankdirektor Josef Taus antrat, nicht abgeneigt.
Entgegen manchen Prognosen brachten die Wahlen im Mai 1979 einen neuerlichen Triumph für Kreisky. Die SPÖ, die mit der Parole „Taus-Götz, nein danke!“in den Wahlkampf ging, feierte den höchsten Wahlsieg in der Geschichte Österreichs. Sie steigerte ihre Mehrheit auf über 51 Prozent, was ihr 95 von insgesamt 183 Mandaten im Nationalrat verschaffte.
Die Krönungsmesse folgte ein Jahr später. Im Mai 1980 kamen die Außenminister der vier ehemaligen Besatzungsmächte in Wien zusammen, um das 25Jahr-Jubiläum des Abschlusses des Staatsvertrages zu feiern. Kreisky war auf Seite Österreichs der letzte Zeitzeuge, da Raab, Figl und Schärf, die Mitverhandler in Moskau, gestorben waren.
Doch der schöne Schein trog. Der Alltag wurde auch für Kreisky immer mühseliger. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich, die Zahl der Pleiten nahm zu, die Arbeitslosigkeit stieg. Gleichzeitig kamen Streit und Hader auf, Skandale, die unter den Tisch gekehrt worden waren, wurden D ruchbar. as Kürzel AKH wurde zum Symbol. Beim Neubau des Allgemeinen Krankenhauses in Wien waren nicht nur die Kosten aus dem
Ruder gelaufen. Es wurden neben Verschwendung auch Scheinrechnungen, Schmiergelder, Schiebungen und Bestechungen aufgedeckt. Mit Politikern als Drahtziehern und Nutznießern.
Zum Bausumpf gesellte sich die Halbwelt. Im „Club 45“, den Udo Proksch in der Hofzuckerbäckerei Demel gegründet hatte, tummelten sich Politiker, die sonst mit Kreisky am Kabinettstisch saßen. Proksch, eine schillernde Figur der Wiener Schickeria, wurde später wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er der Drahtzieher beim Untergang der Lucona war, die angeblich eine hoch versicherte Uran-Aufbereitungsanlage an Bord hatte.
In diese Affären war am Rande Hannes Androsch verstrickt, der auch als Regierungsmitglied seine Steuerberatungskanzlei weiterführte. Das war aber nicht der eigentliche Grund für die Entfremdung zwischen dem Bundeskanzler und seinem Finanzminister. Die Wurzel des Zerwürfnisses lag wohl im Versuch, Kreisky 1974 nach dem Tod von Franz Jonas zur Kandidatur für den Bundespräsidenten zu bewegen. Kreisky witterte Verrat, dass sich der „Kronprinz“selbst auf den Thron des Kanzlers setzen wollte. Ende 1980 nahm der „Alte“Rache: Androsch, mittlerweile auch Vizekanzler, wurde aus der Regierung entlassen, landete aber dank der Schützenhilfe der Gewerkschafter sanft als Generaldirektor der Z Creditanstalt. wischen Kreisky und Androsch hatten sich politische und sachliche Differenzen aufgestaut. Der Finanzminister verfolgte eine Hartwährungspolitik, indem er im Duett mit Nationalbank-Chef Stephan Koren den Schilling an die D-Mark band. Der Bundeskanzler war gegen die Aufwertung, weil er um die Exportindustrie fürchtete. Kreisky verlangte auch immerfort „Deficit spending“. Der Staat müsse Budgetdefizite machen, um die Beschäftigung zu sichern: „Mir bereiten ein paar Milliarden Schulden weniger schlaflose Nächte als einige Hunderttausend Arbeitslose“, lautete der Gassenhauer in seinen Wahlreden.
Der „Austro-Keynesianismus“, den Kreisky als Wundermittel gegen Krisen aller Art anpries, stieß allerdings an die Grenzen der Finanzierung. Aus dem Schlagwort wurde ein Spottwort. Kreisky hatte am Ende beides – hohe Schulden und hohe Arbeitslosigkeit. Die Budgetdefizite explodierten, Privatfirmen wie Eumig gingen bankrott, die Verstaatlichte wurde durch Subventionen und Frühpensionierungen künstlich am Leben erhalten. Doch die Bombe tickte.
Kreisky wirkte bisweilen wie entrückt. Er empfing den Palästinenserführer Arafat und Libyens Diktator Gaddafi, knüpfte Kontakte zu Kubas Staatschef Castro. Die Weltpolitik schien ihm wichtiger. Zu Hause bröckelte indes seine Autorität. Das „Zehn-Punkte-Programm“mit dem er wie einst Moses die Korruption bekämpfen wollte, blieb eine papierene Ermahnung. Mit dem „Mallorca-Paket“, mit dem sein willfähriger Finanzminister Herbert Salcher die Löcher im Staatshaushalt flicken sollte, erntete der auf seiner Urlaubsinsel weilende Kanzler breiten Widerstand. Die erstmals verhängte Kapitalertragssteuer schmälerte nicht nur die Zinsen, das absehbare