100 Patienten tot: Ex-Pfleger gesteht Taten
Monsterprozess in Niedersachsen: 41-Jähriger soll für die größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte verantwortlich sein.
Der Prozess wurde mit einer Schweigeminute für die Opfer eingeleitet – kurze Zeit später gab es ein Geständnis: Gestern begann in Oldenburg im deutschen Niedersachsen der Prozess gegen einen ExKrankenpfleger – wegen Mordes an 100 Patienten zwischen 34 und 96 Jahren. Das öffentliche Interesse ist enorm: Wegen der vielen Zuschauer verlegte das Landgericht Oldenburg die Verhandlung aus diesem Grund in die „Weser-Ems“-Hallen.
wirft dem heute 41-Jährigen vor, von 2000 bis 2005 an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst Patienten durch Injektionen getötet zu haben. Wegen sechs Taten sitzt der Ex-Krankenpfleger bereits lebenslang in Haft. Nun gestand er am ersten Prozesstag die ihm zu Last gelegten Vorwürfe weitgehend: Der Angeklagte beantwortete die allgemein gestellte Frage von Richter Sebastian Bührmann, ob die 100 Vorwürfe vom Missbrauch an Patienten bis zur Todesfolge größtenteils zuträfen, mit einem Ja. Angehörigenvertreter reagierten überrascht auf sein erstes öffentliches Geständnis. Seine berufliche Anfangszeit sei bereits von hohem Stress auf den Intensivstationen gekennzeichnet gewesen, ließ der 41Jährige zudem wissen.
Für Oberstaatsanwältin
Daniela Schiereck-Bohlmann besteht kein
Zweifel an besonderer Heimtücke. In ihrer Anklageverlesung betonte sie die niedrigen Beweggründe, die hinter den Taten standen: Langeweile und Geltungssucht vor Kollegen. Der Angeklagte habe die Taten wegen der „positiven Rückmeldung“begangen. Er soll Patienten nicht verordnete Medikamente gespritzt haben, die in weiterer Folge tödliche Komplikationen, vor allem lebensbedrohliche HerzKreislauf-Stillstände, auslösten. Anschließend versuchte er, seine Opfer wiederzubeleben – was meist misslang. All das habe der 41-Jährige in dem Wissen getan, dass dies zum Tod der Betroffenen führen kann, so der Vorwurf. Bis das unvorstellbare Ausmaß der Taten ans Licht kam, vergingen Jahre: 2005 hatte ihn eine Krankenschwester im Klinikum Delmenhorst auf frischer Tat ertappt.
Bewahrheiten sich alle Vorwürfe, könnte der Mann für die größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte verantwortlich sein. Vor Beginn des Prozesses bat Richter Bührmann die Anwesenden, zu einer Schweigeminute aufzustehen: „Alle ihre Angehörigen haben es verdient, dass man ihnen in Ehren gedenkt.“Dies geschehe unabhängig davon, ob der Beschuldigte etwas mit deren Tod zu tun habe oder nicht. „Wir werden uns bemühen und mit allen Kräften nach der Wahrheit suchen“, versprach Bührmann. Angehörige bat er im Vorfeld für im Prozessverlauf womöglich herzlos klingende juristische Formulierungen um Verzeihung: „Es wird hart. Wir sprechen etwa von ,Tatbestandserfolg‘ – und meinen damit den Tod eines Menschen.“
Bis Mai sind 23 Prozesstage vorgesehen: Es gibt über 120 Nebenkläger, die Staatsanwaltschaft benannte 23 Zeugen und elf toxikologische und rechtsmedizinische Sachverständige.
Wir werden uns bemühen und mit allen Kräften nach der Wahrheit suchen.
Es wird hart. Sebastian Bührmann,
Richter im Prozess