„Man sollte aus dem Stoff eine Serie machen“
INTERVIEW. Die letzten Tage der Monarchie: Die opulente ZDF-Spieldoku „Kaisersturz“mit Darsteller Sylvester Groth erzählt vom deutschen Machtkampf im Jahr 1918.
Der Erste Weltkrieg stürzte Europa ins Chaos. In Deutschland brach die Monarchie zusammen, der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., musste abdanken und ging ins Exil. Das an Originalschauplätzen gedrehte Dokudrama „Kaisersturz“(ZDF, 20.15 Uhr) beleuchtet in einem Mix aus Spielszenen und Originalaufnahmen die dramatischen Wochen vor der Ausrufung der Republik im November 1918. Der deutsche Schauspieler Sylvester Groth verkörpert Kaiser Wilhelm II.
Herr Groth, Wilhelm II. gilt als Mischung aus Kriegstreiber und Dummkopf. Konnten Sie ihm dennoch etwas Sympathisches abgewinnen?
SYLVESTER GROTH: Das muss
ich ja, nur ein Arschloch zu spielen ist schließlich nicht abendfüllend. Mir ging es um die Frage, warum er all die folgenreichen Entscheidungen in Bezug auf den Ersten Weltkrieg getroffen hat. Es sind ja immer Menschen, die Entscheidungen fällen, die Politik machen, und deshalb muss man versuchen, den Menschen zu verstehen.
Wilhelms Kindheit muss furchtbar gewesen sein. Einer seiner Arme war, wohl infolge einer Komplikation bei der Geburt, zehn Zentimeter zu kurz, und seine Mutter hat ihn deswegen total abgelehnt. Die Beziehung zu seiner Mama war ein Albtraum, er wurde von ihr furchtbar traktiert. Das prägt. Was bedeutet es, wenn so ein Mensch in einer Entscheidungsposition für ein Millionenvolk sitzt? Dazu kommt, dass er fest daran glaubte, dass er von Gott eingesetzt war, und keiner widersprach ihm oder sagte: „Stopp mal!“
Was war Ihnen bei der Darstellung besonders wichtig?
Ich wollte keinen bellenden Militär darstellen. Das Militärische erzählt sich sowieso von selbst, weil er ja immer Uniform trug. Das Zeremonielle, nach außen Gerichtete hat mich weniger interessiert, sondern das Innere – was ist in diesem Mann vorgegangen? Wo war er verletzt, wo war er nur beleidigt? Im einen Moment war er fröhlich, konnte alles verdrängen, und dann fiel er wieder tief ins Loch.
Darf man das: Verständnis für einen Mann wecken, der ein hohes Maß an Mitschuld am Ersten Weltkrieg mit all den Millionen Toten hat?
Mitschuld trifft es, denn ganz allein hatte er den Krieg ja nicht auf dem Gewissen, es gehörten schon auch noch die Engländer und die Russen dazu, deren Herrscher ja seine Cousins waren. Im Grunde ist das Ganze auch eine Familienstory, wo der eine den anderen nicht leiden kann – und plötzlich fallen politische Entscheidungen, die fatal sind. Die ganze Welt wurde ins
Unglück gestürzt, das ist im Grunde gar nicht fassbar – wie erzählt man so was? Man sollte aus diesem Stoff eine Serie machen, um noch mehr aus diesem Leben und über diese Epoche zu erzählen.