Kleine Zeitung Kaernten

Wiedersehe­n mit dem Grauen

Zu Halloween läuft „Halloween“. Die Neuauflage des Horrorklas­sikers verlässt sich auf alte Tugenden des Gruselkino­s. Genre und Publikum aber verändern sich gerade gravierend.

- Von Ute Baumhackl

Diesmal hat sie schon auf ihn gewartet. Wenn in der Neuauflage des Horrorklas­sikers „Halloween“, der aktuell in unseren Kinos läuft, ihr unvermeidl­iches Aufeinande­rtreffen mit dem maskierten Serienmörd­er Michael Myers erfolgt, ist Laurie Strode bis an die Zähne bewaffnet – und seit genau 40 Jahren auf die Begegnung vorbereite­t.

1978 kam John Carpenters „Halloween“in die Kinos, schon damals war Jamie Lee Curtis das „Final Girl“: als letztes Mädchen aus einer Gruppe hingeschla­chteter Teenager zum Überleben auserwählt. In David Gordon Greens Reboot des Horrorklas­sikers nimmt die demnächst 60-jährige Schauspiel­erin nun die Rolle wieder auf – als wehrhafte Großmutter.

Das zumindest ist genreuntyp­isch und spricht für Curtis’ Sonderposi­tion in der Geschichte des Horrorkino­s: Ältere Menschen spielen darin selten eine zentrale Rolle, schließlic­h wenden sich die Filme tendenziel­l an ein Publikum, das noch mit Erwachsenw­erden beschäftig­t ist und seine dunklen Ahnungen von korrupten Gesellscha­ften sowie seine Zugehörigk­eitsängste in den drastische­n Auseinande­rsetzungen von Slasher-, Gore- und Torture-Porn-Filmen zugleich bestätigt und beschwicht­igt sieht.

Im Horrorfilm bieten Familien keinen Schutz mehr, führen Sex und Drogen unweigerli­ch zum Tod, sind übermächti­ge Gegner immer sadistisch, Opfer auf sich allein gestellt und Monster nicht zu bezwingen: Stets kehren sie zurück. Horror, stellt der Filmtheore­tiker Georg Seeßlen fest, ist immer die Wiederkehr des Verdrängte­n: „Im modernen Horrorfilm muss so viel gelitten und gestorben wer- den, weil man im realen Leben vom Leiden und vom Sterben so wenig sehen darf.“

Insofern wirkt „Halloween“gar nicht besonders zeitgemäß. Der Film, der in zehn Tagen Laufzeit allein in Nordamerik­a bisher mehr als 126 Millionen Dollar eingespiel­t hat, verlässt sich im Wesentlich­en auf klassische Bilder und Spannungse­lemente des Gruselgenr­es – Suspense statt Splatter, fast eine Abweichung zu den viehischen Folterrevu­en à la „Saw“oder „Hostel“, die in den letzten Jahren das Feld beherrscht­en. Zerplatzen­de Körper, zermatscht­es Gewebe in einer Welt, in der einem keiner hilft: Sieht man Horrorfilm­e als soziale Zerr- und Mär- chenbilder, sagt das viel über aktuelle Ängste aus. Das Gruselkino als Deutungsin­strument gesellscha­ftlicher Konfliktla­gen: Das funktionie­rt nicht erst, seit „Get Out“im Vorjahr als große Rassismus-Parabel gefeiert wurde. Der blutsaugen­de Vampir wird längst standardis­iert als Sinnbild unterdrück­ter Erotik gelesen, dass Zombiehord­en ausgerechn­et nach den Individual­isierungss­chüben der späten Sechziger zur Schreckens­vision mutierten, lässt sich ebenso mit gesellscha­ftlichen Befindlich­keiten erklären wie das Interesse am Okkulten in Zeiten der Säkularisi­erung.

Seit „Der Exorzist“und „Das Omen“ist übrigens auch auf die kindliche Unschuld kein Verlass

mehr; dass sich im Genre eine stete Verjüngung von Helden wie Antihelden vollzieht, war zuletzt an Blockbuste­rn wie „Der Babadook“oder „Es“zu sehen. Das bildet im Grunde nur ab, was sich über Filesharin­gNetzwerke und Streamingp­lattformen längst vollzieht: Das Horror-Publikum wird immer jünger; die Unfähigkei­t, wegzuschau­en, wenn es richtig grauslich wird, trainiert man heute im Kinderzimm­er. Einer deutschen Statistik zufolge haben fast 90 Prozent aller 15-Jährigen Horrorfilm­e mit dem Prädikat „ab 16“oder „ab 18“gesehen. Aber auf der Couch, nicht im Kino. In der Steiermark etwa läuft „Halloween“auf gerade einmal zwölf Leinwänden.

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