Kleine Zeitung Kaernten

Zweischnei­diges Schwert“

INTERVIEW. In seinem Buch „Die Hungrigen und die Satten“beschreibt Timur Vermes eine Flüchtling­skarawane, die zu Fuß gen Deutschlan­d zieht, wo ein „neuer Merkel“regiert. Ein Gespräch über Leitkultur, Afrika-Hilfe und Donald Trumps Dankbarkei­t.

- Von Thomas Cik und Uwe Sommersgut­er

Herr Vermes, in Ihrem neuen Buch machen sich 150.000 Menschen in Afrika – begleitet von TV-Kameras – auf den Fußweg nach Deutschlan­d. Sieht man sich die Live-Berichte von Fox News über den Marsch der Flüchtling­e in Südamerika Richtung USA an, scheint Ihre Satire schon Realität geworden zu sein.

Was ich geschriebe­n habe, ist ja schon ein Abbild der Realität, die wir 2015/2016 gesehen haben. Ich habe das nur in die Zukunft übersetzt.

Sie haben nicht überzeichn­et? Kaum. Vieles, was Sie im Buch lesen, kennen Sie von damals. Grotesk daran ist eher, wie ruhig die Leute bleiben, obwohl alle Zutaten bekannt sind. Es fehlt nur ein Element, um das Ganze explosiv zu machen, und das rühre ich hinein: Ich mache die Grenzen dicht.

Beim EU-Afrika-Gipfel in dieser Woche wurde von Hilfe vor Ort gesprochen. Reicht das, damit die Flucht gar nicht einsetzt?

Das ist ein sehr langfristi­ger Lösungsweg, den man auch gehen soll. Wenn Sie aber eine Lösung in relativ kurzer Zeit benötigen, ist das nicht die erste Wahl. Die Frage ist: Wo kann ich meine Mittel am effiziente­sten einsetzen? Da lautet die simple Antwort: Am besten kann ich es auf europäisch­em Gebiet kontrolwie In Südamerika marschiere­n gerade Tausende Menschen nach Norden – wie in Vermes Buch

lieren – in Deutschlan­d, in Österreich.

Was bedeutet, dass noch mehr Menschen kommen, wovor sich viele aber fürchten.

Die Frage ist: Was wollen wir? Keine Ausländer mehr? Nichts leichter als das! Wir wirtschaft­en das Land runter auf das Niveau von Albanien. Schon kommt keiner mehr. Ich bin sicher, die meisten Leute wollen aber lieber vor allem in einem reichen Land leben. Dann muss man wissen, wo dieser Reichtum herkommt: Aus westlichen Werten und der Demokratie. Und diese besagen, dass nicht nur Deutsche ein Recht auf Wohlstand haben, sondern an- Leute auch. Man muss damit umgehen, dass diese Leute ihr Recht auf Teilhabe einfordern, obwohl sie nicht Deutsche sind.

Ihr Vater war Wirtschaft­sflüchtlin­g aus Ungarn. Was hat er über seine Flucht erzählt?

Er ist leider gestorben, da war ich 8. Er war bei der Flucht 28. Er hat wohl gesehen, dass die Revolution 1956 nicht funktionie­rt. Er wusste, wenn er jetzt hierbleibt, arbeitet er den Rest seines Lebens für Forint – und darauf hatte er keinen Bock, er wollte richtiges Geld. Dann ist er geflohen und hat ab da seine Steuern in Deutschlan­d bezahlt.

2015 wanderten Tausende Flüchtende zur Grenze, der Kontrollve­rlust war enorm, der Rechtsstaa­t außer Kraft.

Wenn Hunderttau­sende laufen, können Sie gerne mit Rechtsstaa­tlichkeit argumentie­ren, nur das ist kein gutes Argument mehr. Da sind Sie an Realitäten gebunden. Wenn Sie als Deutscher keine Grenzen öffnen, führt das zu brutalen Szenen. Da müssen Sie sich nach der Situation richten – auch wenn Sie meinen, das sei verboten.

Das würde bedeuten, dass Angela Merkels Vorgehen, Hunderttau­sende Flüchtling­e binnen Wochen ins Land zu lassen, tatsächlic­h alternativ­los war.

Wenn die Lage einmal

so

ist, sie damals war, haben Sie relativ wenige andere Möglichkei­ten. Alles andere führt zu Gewalt, zu Toten. Die Leichen im Mittelmeer gibt es ja bereits, die sind real. Da lassen wir halt das Meer für uns arbeiten. Natürlich hätte Merkel damals sagen müssen, sie erhöht sofort die Sicherheit – mehr Polizei, Einsatz der Bundeswehr. Um zu zeigen: Wir haben die Lage im Griff. Das war nicht ihre große Stärke. Man darf aber gar nicht so lange warten, bis Hunderttau­sende vor Ihrer Tür stehen.

Zäune können kann das nicht dauerhaft lösen.

Nö. In Ungarn, Serbien klappt das nur, weil da eh keiner hindere

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