Die Rückkehr des Rockstars
Würde man junge Menschen seines Alters fragen, wer denn eigentlich dieser Jim Morrison so ist, man würde ziemlich sicher ein Schulterzucken ernten. Nicht ganz unverständlich, weil es ist ja schon ein Weilchen her, dass der Exzessmeister der 60er-Jahre das Zeitliche gesegnet hat. Dass ausgerechnet der 23-jährige Post Malone ein erklärter Fan von ihm ist, sagt viel darüber aus, wie Musikgrenzen seit ein paar Jahren abgesteckt sind, nämlich gar nicht. Vielleicht ist es ein Begriff aus der Biologie, der hier weiterhilft: semipermeabel, halb durchlässig. Eigentlich kommt dieser Austin Richard Post aus dem Hip-Hop und doch schafft er es spielend, auch noch im Pop und bei den Schmusesongvibes zu wildern. Ja darf der das? Ziemlich sicher sogar. Besser noch: Man darf Rockstar zu ihm sagen. Aber es ist eine Rockstar-Attitüde, die man nur schlecht mit jener vorheriger Jahrzehnte vergleichen kann. Vielmehr ist es die „Alles fließt“-Version.
Gitarren zertrümmern, den Verstärker demolieren und in die Luft jagen? Das wird wohl bei der Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der Post Malones Musik dahinfährt, eher schwierig werden: Cloud Rap, zu langsam, zumindest für den Highway to Hell. Die Wut einer Generation, die das in harte Riffs und kompakte, knackige Lieder verpackt, fehlt hier. Braucht man auch nicht, Post Malone fährt lieber Crystal Ship. Das passt auch besser zum Titel jenes Liedes, mit dem er heute Abend ins Rennen um den Song des Jahres geht: „Rockstar“. Doch darin besingt der in einer musikaffinen Familie aufgewachsene Amerikaner nicht deren schillernde Seiten, sondern die durch Drogen vernebelte, in der die Protagonisten irgendwie und irgendwo zwischen den Welten dahintreiben. Ernüchternd? Das wäre glatt gelogen.
In diesem musikalischen Flow surft er seit 2015 und zwei Alben auf der Erfolgswelle und kann dabei überall andocken: bei Justin Bieber, einem guten Freund, bei Kanye West, einem Förderer. Und doch bleibt der Planet Post Malone in seiner eigenen Umlaufbahn. Dort spielt er bevorzugt „Call of Duty“und auf der Bühne gerne mit akustischer Gitarre Metallica oder Nirvana. Seine Antwort darauf, dass seine Generation die Welt aus den Angeln heben soll, steht ihm übrigens ins Gesicht geschrieben: „Always Tired“, immer müde, lautet das Tattoo unter seinen Augen. Eine Generation, die müde ist. Angestrengt und übersättigt von einer Wohlstandsgesellschaft. Das ist übrigens nicht ausschließlich ein Symptom der Jugend, aber diese hat sich dazu entschlossen, es auszusprechen.