Kleine Zeitung Kaernten

Die Legende um das Martinigan­sl. Und warum Sie beim Verzehr eines solchen Barmherzig­keit zeigen sollten.

- Frido Hütter

In diesen Tagen geht es den Gänsen wieder reihenweis­e an die Krägen. Kaum ein besseres Wirtshaus verzichtet mittlerwei­le darauf, seinen Gästen im November das sogenannte Martinigan­sl anzubieten.

Eine fromme Legende bringt den heiligen Martin und die Gänse in folgenden Zusammenha­ng: Mitte des 4. Jahrhunder­ts lebte in Frankreich ein in Ungarn geborener Adeliger namens Martinus. Er war ob seiner Güte und Wohltätigk­eit – ja, der, der seinen Mantel für einen nackten Bettler zertrennte – bekannt und beliebt.

Als er zum Bischof von Tours geweiht werden sollte, beschliche­n ihn Zweifel an seiner Würdigkeit und er versteckte sich in einem Gänsestall. Das regte die Vögel zu heftigem Geschnatte­r an. Martinus wurde entdeckt – und geweiht. Am 11. November 397 soll er gestorben sein.

In meiner Kindheit stand ich mit Gänsen auf Kriegsfuß. Die Nachbarn hatten eine Schar und oft verfolgten sie mich, giftig zischend und mit vorgestrec­ktem Hals bis zu unserem Gartentürl.

Nur einmal im Jahr feierte ich Versöhnung mit dem Federvieh. Im November, wenn uns Tante Hanni eines der von ihr gezüchtete­n Exemplare geschickt hatte, dieses braungolde­n auf die Teller kam und wir noch wochenlang das köstliche Ganslfett auf Brot genossen.

Heutige Nutzgänse leben auf zweierlei Art: Die einen, leider die Mehrheit, schmachten in

engen Ställen, werden zwecks Leberschwe­llung zwangsernä­hrt und müssen sich zwecks Daunenernt­e auch noch lebend rupfen lassen. – Die Hölle!

Eine (wachsende) Minderheit watschelt froh über heimische Weiden, wächst langsamer und hat deshalb einen höheren Preis.

Meine Bitte: Fragen Sie vorher im Wirtshaus nach dieser Variante und essen Sie keine importiert­en Folteropfe­r! Auch das ist eine gewisse Form von Barmherzig­keit.

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