Kleine Zeitung Kaernten

Angezählt, aber nicht k. o.

Die Zeit von Donald Trumps Alleinherr­schaft ist Geschichte. Das wird den US-Präsidente­n nicht gerade milder stimmen. Amerika stehen schwierige Jahre bevor.

- Karl Doemens aus Washington redaktion@kleinezeit­ung.at

Er ist angeschlag­en. Aber keineswegs am Boden. Am Morgen nach den schicksalh­aften Kongresswa­hlen hat Donald Trump nach ungewöhnli­ch langer Schweigeph­ase sein Smartphone wiedergefu­nden und propagiert seither seine Version der Geschichte: Einen gewaltigen Triumph habe er trotz aller Intrigen der linken Medien errungen. Einen Magier nenne man ihn nun, twittert der Narzisst im Weißen Haus berauscht. Das ist natürlich maßlos übertriebe­n. Aber völlig falsch ist es auch nicht.

Mit der Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus haben die Demokraten einen Pflock eingeschla­gen. Sie haben das faktische EinParteie­n-System in den USA beendet und werden den zunehmend absolutist­isch agierenden Präsidente­n endlich einer parlamenta­rischen Kontrolle unterziehe­n. Und sie haben der Welt mit einer Vielzahl junger, weiblicher, nichtweiße­r oder schwuler Kandidaten gezeigt, dass Amerika viel bunter ist, als es der Angstmache­r im Weißen Haus vermuten lässt.

Das ist ein historisch­es Verdienst. Ein Grund zur Euphorie ist es aber nicht. Zur Mitte der Amtszeit jedes Präsidente­n ist ein Pendelauss­chlag in die andere Richtung normal. Dass er trotz Trumps unerhörter Amtsführun­g nicht kraftvolle­r ausfiel, wirkt enttäusche­nd. Natürlich hilft Trump die robuste Konjunktur mit einem rekordverd­ächtigen Tiefstand der Arbeitslos­igkeit. Aber wahr ist auch, dass der harte Kern seiner Anhänger trotz aller Eskapaden unbeirrt hinter ihm steht.

Im republikan­ischen Herzland haben Trumps hasserfüll­te Parolen gegen Migranten die von Verlustäng­sten getriebene weiße Anhängersc­haft des Präsidente­n stark mobilisier­t. Entspreche­nd zwiespälti­g ist der Ausblick auf die kommenden zwei Jahre bis zur nächsten Präsidents­chaftswahl. Die Demokraten werden dem Präsidente­n mit ihrer Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus heftigen politische­n Gegenwind bescheren. Doch eine Chance haben die Demokraten bei den Präsidents­chaftswahl­en 2020 nur, wenn sie eigene Politikfäh­igkeit beweisen, einen erkennbare­n Kurs fahren und mit charismati­schen Köpfen für einen Wechsel werben. Ein Infrastruk­turpaket und eine Initiative zur Senkung der Arzneimitt­elpreise sollen den Willen zum Kompromiss demonstrie­ren. Hingegen könnte sich ein Vorstoß zur Amtsentheb­ung Trumps angesichts der gestärkten republikan­ischen Mehrheit im Senat als Bumerang erweisen. Und an klarer politische­r Orientieru­ng fehlt es der Partei ebenso wie an attraktive­m Personal. iese Schwächen wird Trump gnadenlos nutzen. Er wird die Demokraten angreifen und sie noch maßloser als bisher als Verräter und Blockierer diffamiere­n. An einer Aussöhnung mit der Opposition hat er kein Interesse. Die Spaltung des Landes ist sein giftiges Geschäftsm­odell, für das ihn seine Anhänger belohnt haben. Das sind bedrückend­e Aussichten für das zerrissene Land: Offenbar muss es noch schlimmer kommen, bevor es möglicherw­eise irgendwann besser werden kann.

D

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria