Die Waffen nieder
Es sind Zehntausende Fackeln im Wind, aber diese Fackeln vor dem Londoner Tower haben nichts mit dem süßen Popsong zu tun, vielmehr erinnern sie an eine bittere Jahrhundertkatastrophe, die heute genau vor 100 Jahren – nach vier langen Jahren unvorstellbaren Gemetzels – zu Ende ging: Am 11. November 1918 endete mit dem Waffenstillstand von Compiègne (Nordfrankreich) der Erste Weltkrieg, im Englischen „The Great War“genannt. Der Vertrag wurde auf einer Waldlichtung in einem Eisenbahn-Salonwagen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und den Westmächten Frankreich und Großbritannien geschlossen. Dem unzähligen Leid mit Zahlen zu begegnen, mutet fast wie statistische Perfidie an: Schätzungen zufolge wurden im Zuge des Ersten Weltkrieges 20 Millionen Menschen getötet, davon knapp zehn Millionen Soldaten und etwas mehr als zehn Millionen Zivilisten. Insgesamt 40 Staaten beteiligten sich am bis dahin größten Krieg der Geschichte, 70 Millionen Menschen standen unter Waffen. Was keine Statistik erfasst, ist das unsagbare Leid der Überlebenden, die lebenslangen Traumata, das Zerbersten von Existenzen und Ländern und die Nachwirkungen dieses Weltenbrandes, der bereits den Keim der nächsten Katastrophe in sich trug. Nur 21 Jahre nach dem Ende des „Great War“brach, wieder inmitten von Europa, der Zweite Weltkrieg aus.
In Großbritannien tragen in diesen Tagen viele Menschen einen „Poppy“-Anstecker, eine Erinnerungs-Mohnblume. Dieses Symbol geht auf den Soldaten John McCrae zurück, der den Tod eines Kameraden in einem Gedicht über die Felder von Flandern verarbeitete, wo ihn der rot blühende Klatschmohn an das vergossene Blut der Gefallenen erinnerte: „Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn/Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe/Die unseren Platz markieren; und am Himmel/Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend/Unten zwischen den Kanonen kaum gehört.“Leider geht auch die schönste Lyrik nicht mit dem Lernen aus der Geschichte einher.