Jugend zwischen Heimat, Hass und Händeschütteln
Harald Schwinger gewinnt mit einer berührenden Entwicklungsgeschichte Literaturpreis des Landes.
York bekommen. Aber ich war zu meiner eigenen Überraschung ziemlich schnell drin in dieser Film- und Bühnenwelt und hatte für die Musik nicht mehr so viel Zeit.
Die 66 Jahre sieht man Ihnen nicht an. Irgendwie wirken Sie umso jünger, je älter Sie werden. Gibt es da ein Geheimrezept?
Ich versuche, nicht zu spät ins Bett zu gehen, aber ich werde schon noch früh genug vor unser aller Augen in mich zusammenfallen. Was allerdings wahr ist: Ich fühle mich momentan großartig. Ich denke, ich bin ein Spätzünder. Ich spiele heute mit 66 besser Musik als je zuvor, und auch als Schauspieler gefalle ich mir immer besser.
Ist das hier gerade Zeit Ihres Lebens?
die
beste
Ja, ich glaube schon. Und das nicht nur bei der Arbeit. Ich bin glücklich verheiratet, seit sieben Jahren bin ich zusammen mit Emilie. Und ich hatte zuvor keine Kinder, aber jetzt kam vor drei Jahren unser erster Sohn Charlie Ocean und vor acht- zehn Monaten unser zweiter Sohn River Joe. Plötzlich Vater zu sein, das ist ein echtes Erweckungserlebnis für mich gewesen. Die Kinder haben so viel Licht, so viel Freude in mein Dasein gebracht, ich kann wirklich nur die Welt umarmen.
Meine Frau scheint sehr fokussiert darauf zu sein, den Jungs ein paar Grenzen zu setzen. Aber ich tendiere schon sehr dazu, Spaß mit ihnen haben zu wollen. Ich bringe die zwei so gerne zum Lachen, ich glaube, das ist bis jetzt meine Kernkompetenz in der Erziehung.
Ihre Frau Emilie, die 30 Jahre jünger ist als Sie, war professionelle Turnerin. Zeigt Sie Ihnen, wie man sich bewegt?
Oh ja, und ob sie das tut. Emilie ist eine Weltklasse-Athletin, immer noch. Sie war im Olympiateam bei der Rhythmischen Sportgymnastik. Wir haben einen Gymnastik-Parcours im Garten, Emilie war zum Beispiel Tanzdouble von Emma Stone in „La La Land“, und dort im Garten kann sie sich richtig austoben an den Seilen, so im Stil von Cirque Du Soleil.
Eine ernste Frage zum Schluss: Sie spielten einen HolocaustÜberlebenden in „Adam Resurrected“, Sie gelten nicht gerade als Donald-Trump-Unterstützer. Haben Sie die Sorge, dass sich dunkelste Kapitel der Geschichte wiederholen könnten?
Meine Güte, ja, das ist eine ernste Frage. Es ist aber auch ein ernstes Problem. Ich verachte Fanatismus, Rassismus und den Gedanken, dass irgendjemand besser oder schlechter ist als irgendjemand anderes. Wir sind alle aus demselben Grundmaterial, wir stammen alle von denselben Schwestern und Brüdern ab, und es ist so dumm, anderes auch nur zu denken. Ja, ich tue, was ich kann, den Ball weiter im Feld des Fortschritts und der Mitmenschlichkeit zu halten. Ich wünsche mir einen friedlichen Planeten, der von liebevollem Lebewesen bevölkert wird.
Die Grenzen zwischen Jugendliteratur und Erwachsenen-Belletristik sind fließend. Immer öfter sind es für Jugendliche geschriebene Geschichten, die auch ältere Leser anrühren und mitleben lassen, man denke nur an Wolfgang Herrendorfs „Tschick“, „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“von Carol Rifka Brunt oder die Bücher von John Green und David Levithan.
Auch der diesjährige Kärntner Jugendbuchpreis hat das Zeug zum Pageturner für Jugendliche und Erwachsene: Harald Schwingers „Held“ist die Geschichte des zornigen, sich ohnmächtig fühlenden 16jährigen Niva, dessen Wut auf das Unterschicht-Leben sich auf die Asylanten konzentriert, die in seiner (fiktiven) Heimatstadt Krakeloh in einem leer stehenden Hotel Quartier finden sollen. Der Sinneswandel des unzufriedenen aber nicht dummen Jugendlichen wird durch seine Verurteilung zu Sozialdienst in einem griechischen Flüchtlings-Camp herbeigeführt. Hier lernt der DachdeckerLehrling nicht nur, Gemüse zu putzen und Holzhäuser zusammenzubauen, sondern er erfährt auch, was das Leben für Menschen auf der Flucht bedeutet, was es heißt, fremd und ungewollt zu sein.
Dem Buch liegt eine reale Geschichte zugrunde, erzählt der Villacher Autor und Kleine-Zeitung-Mitarbeiter Harald Schwinger. Das Hotel in Deutschland, das zum Asylantenheim umgestaltet werden sollte, gab es ebenso wie den Brandanschlag darauf, bei dem sogar die Bevölkerung die Polizei an den Sicherungsmaßnahmen hinderte. Schwinger, der mit Schülern an sogenannten Schulhausroman-Projekten arbeitete und die Sprache der Jugendlichen aus erster Hand kennt, recherchierte über Vermittlung von amnesty international eine Woche in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Er sah selbst den „Life Jacket Graveyard“, der im Buch vorkommt, eine Deponie mit Schwimmwesten von überlebenden Flüchtlingen. „Auch eine Tasche, die aus den Rettungswesten gemacht wird, habe ich gekauft“(Schwinger). Für Niva, der wie so viele seiner Generation, sich zuvor vor allem im Netz und auf der Straße artikuliert hatte, war „Händeschütteln mit x-beliebigen Menschen, die er nicht kennt, nicht so sein Ding“. Am Ende des Romans streckt er dennoch rettend seinen Arm aus. Eine Leseempfehlung! Held. Drava
Verlag, 128 Seiten, 14,90 Euro.
In einer Kleinstadtgeht ein Hotel, das für Asylwerber umgebaut wurde, in Flammen auf. Der Jugendliche Niva fühlt sich als Held, weil er seine Stadt vor den „Kanaks“bewahren will.
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