HEUTE VOR 100 JAHREN:
Am 12. November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich proklamiert. Heute feiert Österreich in einem Staatsakt in der Wiener Staatsoper den 100. Geburtstag der Republik.
Im Jahr 1951 wurde nach fünfjährigen Planungen der erste Saal des von Bundespräsident Karl Renner 1946 initiierten, jedoch nie fertiggestellten Museums der Ersten und Zweiten Republik im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg eröffnet. Auftaktthema war die Republikgründung 1918, künstlerisch vermittelt durch zwei Gemälde. Max Freys großformatiges Bild „Ausrufung der 1. Republik am 30. Oktober 1918 vom Balkon des Landhauses“war raumbeherrschend, schräg gegenüber wurde Rudolf Konopas „Ausrufung der Republik vor dem Parlament“platziert. Konopas Gemälde war anlässlich des Republikjubiläums 1928 von der Stadt Wien angekauft worden. Das Bild von Max Frey entstand im Auftrag des neuen Museums. Renner hatte in einem Schreiben an Bundeskanzler Leopold Figl, datiert mit 11. November 1946, die Schaffung „historischer Schauräume in der Hofburg“angeregt, wobei „die markantesten Vorgänge“der österreichischen Geschichte durch „größere Gemälde“ festgehalten werden sollten, für den Saal der Ersten Republik unter anderem die „Konstituierung (im niederösterreichischen Landtagssaal) der provisorischen Nationalversammlung“.
Zwei Gründungsdaten: Staatsgründung am 30. Oktober 1918, Ausrufung der Republik am 12. November. Renner legte 1946 den Fokus wohl ganz bewusst auf den eigentlich entscheidenden Moment der Staatsgründung. Am 21. Oktober 1918, in den dramatischen Tagen des Zerfalls der Habsbur- germonarchie, hatten sich die Reichsratsabgeordneten aller Parteien aus den deutschen Wahlkreisen der Habsburgermonarchie als provisorische Nationalversammlung konstituiert. Getagt wurde im Gebäude des niederösterreichischen Landtags in der Herrengasse, denn im Parlamentsgebäude amtierte ja nach wie vor der Reichsrat, das kaiserlich-österreichische Abgeordnetenhaus. Am 30. Oktober 1918 nahm die provisorische Nationalversammlung die von Karl Renner ausgearbeitete provisorische
Verfassung des neuen Staates Deutschösterreich an und wählte einen 23-köpfigen Staatsrat mit drei Präsidenten, Franz Dinghofer (deutschnational), Jodok Fink, später abgelöst von Johann Hauser (christlichsozial) und Karl Seitz (sozialdemokratisch). Dies war der eigentliche Staatsgründungsakt und er beruhte auf der Selbstermächtigung und dem Konsens der Parteien.
Als die provisorische Nationalversammlung am 30. Oktober 1918 den Staat Deutschösterreich vom Balkon des
Regierungsform ausrief, noch wurde offengelassen. die Erst am 11. November, zwei Tage nach der Abdankung des deutschen Kaisers, zeigte sich Kaiser Karl bereit, „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“zu verzichten. Damit stand der Weg zur Republik auch offiziell offen.
Der wurde 12. November als feierliche 1918 Veranstaltung organisiert. Die erstmals im Parlament tagende provisorische Nationalversammlung beschloss das Gesetz über die und Regierungsform: „Deutschösterreich ist eine demokratische Republik“und „Deutschösterreich ist Bestandteil der Deutschen Republik.“Die Proklamation der Republik Deutschösterreich auf der Rampe des Parlaments wurde dann bekanntlich durch eine Gegenkundgebung von bewaffneten Roten Garden gestört, die ein Transparent mit der Parole „Hoch lebe die sozialistische Republik“entrollten. Rotgardisten rissen die weißen Mittelstreifen aus der Fahne mit den neuen Staatsfarben Rot-WeißRot, gehisst wurden die aneinandergeknüpften roten Stoffbahnen, Symbol einer sozialistischen Räterepublik. Als Schüsse fielen, entstand ein Tumult, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen.
Ob Renner 1946 mit der Anregung für ein Historienbild zum 30. Oktober bewusst einen Kontrast zum 12. November schaffen wollte, muss dahingestellt bleiben. Ebenso ungeklärt ist, warum Max Frey die Straßenszene vor dem Landhaus bei der Ausrufung des neuen Staates wählte; möglicherweise diente die Titelseite der „Illustrierten Kronen Zeitung“vom 1. November 1918 als Vorbild.
Im österreichischen Bildgedächtnis ist der eigentliche Staatsgründungsakt am 30. Oktober 1918 jedenfalls nicht präsent – was das Geschichtsbild prägt, sind die Tumulte auf der Rampe des Parlaments am 12. November 1918, festgehalten in Foto- und Filmdokumenten. Retrospektiv gelten diese Szenen als Vorboten kommenden Unheils. Das Scheitern der RepuLandhauses blik scheint bereits in ihre Geburtsstunde eingeschrieben.
Die formativen Jahre 1918 bis 1920 lassen aber auch eine positive Lesart zu. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Versorgungssituation und im Vergleich mit den konfliktreichen Revolutionen in anderen europäischen Staaten, die weitaus mehr Opfer politischer Gewalt forderten, kann die Gründungsphase der Republik als erfolgreiches Krisenmanagement mit einem in vielen Bereichen fortschrittlichen Ergebnis gesehen werden. Die Koalitionsregierung hat in diesen Jahren entscheidende Weichenstellungen beschlossen. Ein im internationalen Vergleich fortschrittliches Wahlrecht für Frauen und Männer und eine nachgerade revolutionäre Sozialgesetzgebung wurden eingeführt, die zum Teil konfliktreichen Grenzziehungen und das mit Enttäuschung aufgenommene Anschlussverbot des Vertrags von Saint-Germain wurden verarbeitet.
Die bis heute gültigen Grundlagen von Staat und Regierung wurden in der am 1. Oktober 1920 beschlossenen Verfassung festgelegt: „Österreich ist eine demokratische Republik“(Artikel 1) und „Österreich ist ein Bundesstaat“(Artikel 2).
Das Zerbrechen der Koalitionsregierung von Christlichsozialen und Sozialdemokraten 1920 markiert das Ende der Phase von Kooperation und Konsens. Für die Bürgerblock-Koalition von Christlichsozialen und Deutschnationalen waren vor allem die sozialen ErrunStaats-