Kleine Zeitung Kaernten

Der Kampf gegen Dämonen

Paris war keine formelhaft­e Gedenkstun­de: Macron hat den Egomanen von heute kritisch einen Spiegel vorgehalte­n und einen optimistis­chen Zukunftsen­twurf entgegenge­setzt.

- Nina Koren nina.koren@kleinezeit­ung.at

Klar, es sah nicht besonders zeremoniel­l aus, wie sie da mit Regenschir­men in der Hand über die ChampsÉlys­ées spazierten: Rund 70 Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt, die zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs gedachten. Und doch war es gerade die nichtmarti­alische Entspannth­eit, die das Besondere des gemeinsame­n Marsches ausmachte. Die Beschirmte­n stehen für Nationen. Dass kein Krieg herrscht – wir nehmen es für so alltäglich wie den Regen. Dass die vermeintli­che Normalität eine brüchige ist, beweisen der Anlass des Spaziergan­gs und der Blick in die Ostukraine, nach Syrien oder in den Jemen – nur wenige Flugstunde­n von hier entfernt.

Kein gutes Bild gaben ausgerechn­et jene ab, die in den vergangene­n Jahren ohnehin eher durchs Spalten oder Kriegführe­n auffielen: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin zogen es vor, nicht gemeinsam mit den anderen unterwegs zu sein, sondern in ihren eigenen Limousinen vorzufahre­n – man muss sich ja schützen. Die Briten wiederum, im Ersten Weltkrieg noch Ver- bündete Frankreich­s, waren gar nicht in Paris dabei – man feierte für sich auf der Insel. Die Trennung von der EU, so scheint es, ist trotz Verhandlun­gsstillsta­nd voll im Gange.

Und trotzdem war dieser Friedensgi­pfel mehr als leere Symbolik. Emmanuel Macron hielt unterm Triumphbog­en keine Sonntagsre­de. Auch wenn er Trump nicht beim Namen nannte, erinnerte der Gastgeber den „America First“-Präsidente­n und andere Vertreter seiner Zunft nicht nur an damals, sondern hielt ihnen einen Spiegel des Heute vor die Nase. Die Spuren dieses Kriegs, meinte Macron, verblassen nicht, die alten Dämonen steigen wieder auf. „Wer sagt ‚unsere Interessen zuerst, was auch immer mit den anderen passiert‘, radiert das Kostbarste aus, was eine Nation haben kann, was sie leben lässt, was sie groß macht und was am wichtigste­n ist: ihre

moralische­n Werte“, sagte Macron. Es geht uns heute – gerade in der westlichen Welt – nicht so schlecht, dass wir auf Kosten anderer um unser Überleben kämpfen müssten. Nein, wir haben nicht das Recht, Ressentime­nts gegen andere zu schüren und um jeden Preis unseren eigenen Vorteil durchzuset­zen. Dass sich Macron nicht aufs Warnen beschränkt­e, unterschei­det seine Analyse von anderen: Den Dämonen stellt er entschloss­enen Optimismus entgegen. Wenn wir es möchten, kann unsere Welt am Beginn einer neuen – einer besseren Ära – stehen, meint der französisc­he Präsident. Das mag man pathetisch finden oder naiv, und doch bleibt die Frage: Warum eigentlich nicht?

Die Kriegsgegn­er von einst, Frankreich und Deutschlan­d, sind Beweis dafür, was möglich ist. Ihre heutige Nähe und Stabilität, der hohe Lebensstan­dard sind ihnen nicht in den Schoß gefallen. All das kam nicht von Hetzreden über den anderen; friedliche­s Zusammenle­ben der Gattung Mensch braucht aktives Bemühen. Bei Staaten und Völkern ist das nicht anders.

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