Das Warten auf den Brexit-Blues
Es ist die Schlüsselfrage, die sich interessierte politische Beobachter stellen: War die Abstimmung zum Brexit ein Betriebsunfall, den die Briten, die als Inbegriff des Pragmatismus gelten, heute bedauern? Seit 2010 lebt die österreichische Journalistin Tessa Szyszkowitz in London, sie hat im Vorfeld der Abstimmung eine international beachtete „Hug a Brit“-Kampa- gestartet – in der Hoffnung, die Briten zum Bleiben zu bewegen. Vergebens. Nach Ende ihrer auf 260 Seiten komprimierten Tiefenrecherche, die sie in alle Landesteile geführt hat, kommt Szyszkowitz in ihrem Buch „Echte Engländer. Britannien und der Brexit“(PicusVerlag, 22 Euro) zum ernüchternden Schluss: Es war kein Unfall, sondern das Resultat ei- nes Entfremdungsprozesses, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte und durch die unkontrollierte Zuwanderung aus Osteuropa noch beschleunigt wurde. Dass der Brexit die Briten teuer zu stehen kommt, weil eine sentimentale Wiederbelebung der alten Beziehungen zu den Amerikanern oder den Indern den EU-Austritt in keiner Weise ökonomisch kompensiegne ren kann, diese Erkenntnis verfängt nicht. „Eine Nation zieht sich in die Vergangenheit zurück, die sie in der Zukunft nicht mehr finden wird.“Ein lesenswertes Buch einer scharfen, empathischen Beobachterin, die ohne erhobenen Zeigefinger die britische Seele seziert.