Kleine Zeitung Kaernten

Inszenieru­ng vor Inhalt

Schnellere Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n im zweiten Anlauf. Heute bringt der Ministerra­t den neuen Turbo an den Start. Die übergeordn­ete Prioritäte­nsetzung fehlt.

- Claudia Haase claudia.haase@kleinezeit­ung.at

Die Regierung setzt immer wieder auf den Überraschu­ngseffekt. Bei der Einführung des 12-StundenTag­es war das ein kurzfristi­ger Erfolg. Jetzt wird das neue Standorten­twicklungs­gesetz in einer Blitzaktio­n durch den Ministerra­t geschrammt. Erst dort wird verraten, wie es im Detail funktionie­ren soll, künftig Infrastruk­turprojekt­e im Rahmen der Umweltvert­räglichkei­tsprüfung zu beschleuni­gen.

Die Erstversio­n war im Sommer glatt durchgefal­len. Juristen zerfetzten zu Recht das Ansinnen einer automatisc­hen Projektgen­ehmigung nach 18 Monaten, sollten Behörden säumig sein. Ein bissl die Prüfer zumüllen und alles geht. Zum Glück nicht.

Kommt jetzt etwas deutlich Besseres nach? Vor der entscheide­nden Sitzung heute hatte die Inszenieru­ng Vorrang vor Inhalten. Montag versammelt­e Kanzler Sebastian Kurz die Presse im Flughafen-Tower, um das Gelände für die berühmtber­üchtigte dritte Piste im Nebel auszumache­n. Dienstag folgten perfekt orchestrie­rt die Autobahnge­sellschaft Asfinag, die Flughafen AG, die ÖBB und der Verbund, deren Chefs so etwas wie eine Hitliste ihrer Projekt-Wartezeite­n präsentier­ten.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Verfahren, die zehn Jahre dauern, sind eines funktionie­renden Rechtsstaa­ts nicht würdig. Die neue Version setzt jedoch abermals auf eine gewisse Ausschaltu­ng der Justiz. Die Ursachen der Misere werden nicht einmal ansatzweis­e angegangen. So könnten unabhängig­e Bundessach­verständig­e das Problem grundsätzl­ich etwas entschärfe­n. Die derzeitige Auslagerun­g ausschließ­lich an externe Gutachter kostet viel Zeit. Die Regierung setzt einfach auf die höhere Instanz, den offenbar schnellere­n und besseren Durchblick des Bundesverw­altungsger­ichts.

Sollten so die seit Jahren in der Luft hängenden Verfahren beendet werden, werden viele aufatmen. Jeder ist froh, wenn Endlosthem­en irgendwann vom Tisch sind. Dauerbaust­ellen sind die teuersten. Einige Fragen stellen sich trotzdem.

Etwa diese: Wenn künftig „besonderes öffentlich­es Interesse“ein Verfahrens­turbo sein darf, was ist das? Haben Bahnprojek­te Vorrang vor Straßen? Und wie viel Wachstum des Flugverkeh­rs will man mittelfris­tig haben? So viel wie möglich? Was dient den Klimaziele­n? Was nicht? Derzeit sucht noch jeder den Vorteil innerhalb des eigenen Tellerrand­s. Übergeordn­ete Ziele, Prioritäte­nsetzung, die nicht kurzfristi­gen Zielen dient, das ist die Notwende, die wir brauchen. enn schnellere­n Verfahren etwas Positives abgewonnen werden kann, dann hier: Es wird eine große Menge an Maßnahmen – auch Baumaßnahm­en – notwendig sein, um die Energiewen­de zu schaffen. Zehnjährig­e Verfahren wären hier verfehlt. Über Betroffene einfach drüberzufa­hren aber auch.

Denn wer sagt, dass sich Menschen nur dann gelbe Westen anziehen, wenn sie, wie gerade in Frankreich, aus Protest gegen höhere Steuern auf Sprit große Verkehrsad­ern lahmlegen?

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