Kleine Zeitung Kaernten

Scheitert der Brexit-Deal an Gibraltar?

Madrid fordert, dass die Zukunft des britischen Affenfelse­ns aus dem Brexit-Vertrag ausgeklamm­ert wird, und droht mit Blockade.

- Von Ralph Schulze, Madrid

Verweigert Spanien die Zustimmung zum mühsam zwischen der EU und London ausgehande­lten BrexitKomp­romiss? Wenige Tage vor dem EU-Sondergipf­el droht Madrid, das Austrittsa­bkommen abzulehnen. Hintergrun­d ist der Streit um die britische Kronkoloni­e Gibraltar, die von Spanien beanspruch­t wird. Spanien besteht auf der Klarstellu­ng, dass die Bestimmung­en der Brexit-Verträge nicht automatisc­h auf Gibraltar übertragen werden. Die Situation Gibraltars müsse in bilaterale­n Gesprächen zwischen Madrid und London geklärt werden, so die spanische Regierung.

„Wir können nicht hinnehmen, dass die Zukunft Gibraltars zwischen Großbritan­nien und der Europäisch­en Union vernal wird“, sagte Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez. Wenn es im Brexit-Austrittsv­ertrag keine Änderung in dieser Sache gebe, werde Spanien gegen das Abkommen stimmen. Sánchez: „Gibraltar gehört nicht zu Großbritan­nien, auch wenn es von Großbritan­nien repräsenti­ert wird.“Die Frage der Zu- gehörigkei­t wird in London freilich anders gesehen: „Gibraltar ist entscheide­nder Bestandtei­l der Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft Großbritan­niens“, bekräftigt­e erst jüngst die britische Premiermin­isterin Theresa May.

In Gibraltar wurde Spaniens Veto-Drohung als weiteres Sighandelt dafür gewertet, dass die Kolonie unter britischem Dach besser aufgehoben ist. „Die Position Madrids trägt wenig dazu bei, Vertrauen aufzubauen“, erklärte Gibraltars Regierungs­chef Fabian Picardo. Bereits zwei Mal stimmten die rund 30.000 Koloniebew­ohner über ihre Zukunft ab: stets mit einem klaren Ergebnis. 1967 sprachen sich 99 Prozent gegen einen Anschluss an Spanien aus. 2002 lehnten mehr als 90 Prozent auch eine zwischen Madrid und London geteilte Souveränit­ät Gibraltars ab.

Doch die spanische Regierung gibt nicht auf. Sie fordert hartnäckig die „Rückgabe“Gibraltars, das 1713 in den sogenannte­n Friedensve­rträgen von Utrecht an die britische Krone abgetreten worden war. Nun, mit dem Brexit, wittert Spanien eine neue Chance, Gibraltar ins

Königreich zurückzuho­len. Deswegen drängt Madrid seit Monaten darauf, die Zukunft der Felsenhalb­insel, auf der die einzigen frei lebenden Affen Europas leben, aus den Brexit-Verhandlun­gen explizit herauszune­hmen. Das sei von Brüssel auch so zugesagt worden, beklagt sich Madrid.

Kurios ist, dass Gibraltar im Gegensatz zur britischen Mutterinse­l eine proeuropäi­sche Hochburg ist. Beim Brexit-Referendum hatten 96 Prozent der Gibraltare­r gegen den EU-Abschied gestimmt. Vor allem, weil die Bewohner überwiegen­d vom Handel und Grenzverke­hr mit dem spanischen EU-Nachspanis­che barn leben. Das Minireich hat sich dank niedriger Steuersätz­e und Tausender Briefkaste­nfirmen zum Finanz- und Shoppingpa­radies entwickelt.

Blockieren kann Spanien das Brexit-Austrittsa­bkommen nicht. Zwar will Brüssel am bestehende­n Deal festhalten. Nach Artikel 50 des EU-Vertrags müssen die Staats- und Regierungs­chefs den Austrittsv­ertrag aber nicht einstimmig, sondern nur mit qualifizie­rter Mehrheit (mindestens 20 von 27 Mitgliedst­aaten, die zusammen 65 Prozent der Bevölkerun­g der verbleiben­den Mitgliedst­aaten vertreten) annehmen. Anders sieht es dann beim noch auszuhande­lnden Abkommen über die künftigen Beziehunge­n aus, in dem es etwa um die Sicherheit­spolitik gehen wird – dieses muss dann von allen EU-Mitgliedst­aaten gebilligt werden.

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