Zwischen Ohrfeigen und Liebesentzug
Vielleicht wird stundenlanges Spielen am Handy im Kleinkindalter bald als Form von Kindesmisshandlung gelten.
Was die große Kinderbuchautorin Astrid Lindgren am gestrigen Weltkindertag gesagt hätte, wenn sie noch lebte? Vor genau 40 Jahren hat sie in ihrer großen Rede bei der Verleihung des Friedenspreises Millionen von Eltern mit ihrer Forderung nach einem Gewaltverbot verstört. Weil damals das Schlagen noch zur elterlichen Erziehungskultur gehörte. Und heute? Heute könnte sich die Pippi-Langstrumpf-Erfinderin über Gesetze freuen, die das Schlagen von Kindern seit Langem unter Strafe stellen. Und dennoch müsste sie weiter flammende Reden gegen Gewalt halten. Gegen jene, die keine blauen Flecken hinterlässt, aber ebenso grausam sein kann. Weil sich Kinder nicht wehren können, wenn sie abwertend behandelt werden, keine Liebe bekommen. Astrid Lindgren könnte heute fordern, worauf Therapeuten drängen: Kampagnen mit der Botschaft, dass auch Abwertung oder Liebesentzug Gewalt bedeuten. Weil sie in das Selbstbild dringen und wehtun wie eine Ohrfeige. Mit dem Unterschied, dass heute auf Ohrfeigen reagiert wird, wenn ein Kind davon erzählt.
Psychische Gewalt bleibt aber unsichtbar. Vielleicht würde Lindgren aber auch einen anderen Warnruf aufnehmen. Jenen, nach dem stundenlanges Spielen am Handy als neue Form der Kindesmisshandlung definiert werden müsste. Weil Therapeuten das Recht des Kindes auf eine kindgerechte Umwelt damit verletzt sehen.
W as mit oder ohne Handy zeitlos bleibt? Die Grundaussage von Lindgren. Ob ein Kind zu einem warmherzigen, offenen Menschen heranwachse oder aber gefühlskalt und egoistisch werde, hänge davon ab, ob Eltern zeigen, was Liebe ist oder nicht. Weil in keinem Neugeborenen ein Samen schlummere, aus dem zwangsläufig Gutes oder Böses sprieße.
Gültig für alle Zeiten.