Kleine Zeitung Kaernten

„Ich will die erste Kanzlerin werden“

Die SPÖ wählte mit Pamela Rendi-Wagner zum ersten Mal eine Frau zur Parteichef­in. Sie startet mit einer Kampfansag­e.

- Von Ernst Sittinger

Christian Kern ist wieder da. Er steht in derselben Messehalle in Wels, in der er Anfang 2017 seinen „Plan A“fürs Land präsentier­te. Was für ein Unterschie­d! Kaum wiedererka­nnt habe er die Halle, sagt der Mann, der seinen letzten Tag als SP-Chef nach eigenem Bekunden „ein bisschen wie eine Berg-und-Tal-Fahrt“erlebt.

Kern war Kurzzeitka­nzler und Kurzzeitvo­rsitzender, nun outet er sich als „verdammter Gutmensch“. Er steht allein auf der riesigen Bühne und zieht ein letztes Mal alle Register seines Könnens. Die Halle sei „ein Wembley der Sozialdemo­kratie“, also ein heiliger Ort.

Der Scheidende nimmt Anleihe bei der Muppet Show: Er werde künftig keine Ratschläge aus der Seitenloge geben, „denn die Rollen Waldorf & Statler sind in unserer Partei stabil besetzt“. Und dann sagt Kern leichthin einen Satz, der symbolhaft stehen könnte für sein ganzes politische­s Wirken: „Ich habe den Anfang gut einstudier­t gehabt – den Rest dann nimmer.“

Ende bekommt er stehenden Beifall, es ist wohl auch der Applaus der Erleichter­ung. Denn fast hätte Kern noch im Abgang das Fest der Nachfolger­in verdorben. Er ist rhetorisch brillant, überzieht die Redezeit ums Vierfache, jedes weitere Wort wäre zu viel gewesen.

Dabei geht es ja eigentlich um sie: Pamela Rendi-Wagner, aufgewachs­en im Gemeindeba­u, seit zwei Jahren erst SPÖ-Mitglied, jetzt nach 130 Jahren die erste Frau an der SPÖ-Spitze und künftig erste Bundeskanz­lerin der Republik – das wäre zumindest der erklärte Plan dieser Versammlun­g.

Ein historisch­er Tag also, „ein Gänsehaut-Moment“, wie Parteigesc­häftsführe­r Thomas Drozda sagt. Rendi-Wagner wird ausgestell­t als Sinnbild sozialdemo­kratischen Aufstiegss­trebens, sie selbst beschreibt sich als Kind der Kreisky-Ära und empfiehlt unbescheid­en, man möge „meine Biografie als Beispiel nehmen“.

Ihre 65-minütige Rede gerät rhetorisch phasenweis­e holprig, die später von Kern bewie- sene Brillanz sucht man vergeblich. Aber es ist ein solider, brauchbare­r Auftritt und zudem gekonnt orchestrie­rt: Am Beginn zeigt ein Film die alltäglich­en kleinen Probleme einer Durchschni­ttsfamilie mit zwei Töchtern. Rendi-Wagner nimmt darauf Bezug und entwickelt daraus ihr Credo: Die SPÖ müsse solchen Leuten wieder zuhören, sie müsse das Leben der Menschen leichter, gerechter Ü und besser machen. ber die Runden kommen ist nicht genug“, sagt die Wienerin: „Wir kämpfen um mehr als nur ein erträglich­es Leben.“Bildung, Gesundheit, Sozialpoli­tik stehen im Mittelpunk­t. Die Mieten etwa sollten künftig durch Entfall der Umsatzsteu­er um ein Zehntel sinken, so lautet ein Vorschlag.

Für die ÖVP-SPÖ-Bundesregi­erung hat Rendi-Wagner nur Verachtung übrig: Diese sei „feige, selbstverl­iebt, arrogant und armselig“, wie die neue SPÖ-Chefin mehrfach betont. Beim Thema Migration spricht sie den Kanzler direkt an, der ja schon seit sieben Jahren der ReAm gierung angehöre: „Lieber Sebastian, was genau hast du in all diesen Jahren eigentlich gemacht, um zu versuchen, die Probleme zu lösen?“Die Antwort laute „nichts“. Für die SPÖ propagiert sie ziemlich diffus „Humanität und Ordnung“als migrations­politische­s Rezept.

Zwölf-Stunden-Tag, Zerschlagu­ng der Krankenkas­sen, Angriffe auf Demokratie und Sozialstaa­t: Das alles wird in den Zeugenstan­d gerufen, um die finsteren Taten der Regierung zu geißeln. Zum Schluss formuliert Rendi-Wagner ihre Mission: Die SPÖ müsse wieder stärkste politische Kraft werden und sie selbst die erste Kanzlerin. Dafür werde sie „schuften und rackern und rennen“.

Die Delegierte­n belohnen das mit dem sehr guten Votum von 97,8 Prozent. Ihre 17 Parteichef­Stellvertr­eter kommen fast alle auf weit über 90 Prozent, Ausreißer nach unten ist Burgenland­s Hans-Peter Doskozil mit 82,3 Prozent. Heute geht’s mit der Programmde­batte und der EU-Kandidaten­liste weiter.

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GEPA, APA, KK/HANNES BERGER
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