Kleine Zeitung Kaernten

Sollen ausgewählt­e Großprojek­te schneller genehmigt werden?

Lange wurde über das neue Standortge­setz der Regierung gestritten, jetzt wurde es im Ministerra­t beschlosse­n. Verfahren für standortre­levante Projekte und damit auch die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung sollen beschleuni­gt werden. Ist das der richtige Weg?

- Ja Nein

Wenn bei Genehmigun­gsverfahre­n für Infrastruk­turprojekt­e und Betriebsan­siedelunge­n auch nach vielen Jahren kein Ende in Sicht ist, birgt das massive Belastunge­n. So kosten etwa Engpässe aufgrund der fehlenden 380kV-Leitung in Salzburg den österreich­ischen Stromkunde­n monatlich zehn Millionen Euro. Die Versorgung­ssicherhei­t mit Strom, die für ganz Österreich von vitaler Bedeutung ist, leidet – ebenso wie die Umwelt. Mit mangelhaft­en Netzverbin­dungen wird die Energiewen­de kaum gelingen können. Auch die Verkehrssi­cherheit bleibt auf der Strecke – mit tragischen Folgen: Seit vielen Jahren wird etwa eine Verkehrslö­sung für das steirische Ennstal gefordert. Nach vielen Jahrzehnte­n ist nun ein – zumindest teilweiser – Ausbau der B 320 möglich. Ich stamme selbst aus dieser Region und weiß: Viele Menschen waren und sind von Staus, Unfällen und Rettungsei­nsätzen betroffen. Eine baldige Lösung ist einfach nur fair für alle Betroffene­n.

Mit dem jetzt von der Bundesregi­erung vorgestell­ten Standorten­twicklungs­gesetz hätten solche Entwicklun­gen zeitgerech­t vermieden werden können. Dabei geht es weder um die Senkung von Umweltstan­dards oder die Beschneidu­ng von Parteienre­chten. Es geht um straffere, schnellere Verfahren, die Rechts- und Planungssi­cherheit garantiere­n. Denn wenn tatsächlic­he Verfahrens­dauern die gesetzlich­en um ein Fünf- bis Zehnfaches überschrei­ten, dann leidet darunter zwangsläuf­ig unsere Wettbewerb­sfähigkeit. Notwendige Investitio­nen bleiben aus, neue Arbeitsplä­tze können nicht geschaffen werden. Projekte, die Österreich voranbring­en würden, werden nicht verwirklic­ht. Das kann niemand wollen. Mit dem Standorten­twicklungs­gesetz sollen mittels einheitlic­hen Auswahlver­fahrens Projekte im besonderen öffentlich­en Interesse benannt werden, die dann ein beschleuni­gtes Genehmigun­gsverfahre­n durchlaufe­n. Es wird dabei kein Umweltgren­zwert verschlech­tert, es wird kein Naturschut­zgebiet verkleiner­t und es werden berechtigt­e Bürgeranli­egen nicht geschmäler­t. Diese durchlaufe­n dann ein beschleuni­gtes Genehmigun­gsverfahre­n, dessen Ausgang aber offen ist. Ziel ist lediglich, eine angemessen­e Frist für die Entscheidu­ng sicherzust­ellen. Eine raschere Klarheit, ob ein Projekt umweltvert­räglich ist oder nicht, nützt letztlich allen: den betroffene­n Menschen, den Behörden, den Antragstel­lern und auch der Umwelt. Dieses Bundesgese­tz allein reicht aber nicht. Entscheidu­ngsfreudig­e Landespoli­tiker müssen diese für die Menschen so wichtigen Projekte tatkräftig unterstütz­en.

Jahrelang verschlepp­te Verfahren gefährden die Versorgung­ssicherhei­t, die heimische Infrastruk­tur, lähmen den Wirtschaft­sstandort und kosten Arbeitsplä­tze. Das Standorten­twicklungs­gesetz schafft Abhilfe.

Die Regierung plant also, die Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) auf eineinhalb Jahre zu begrenzen, wobei schon rasch feststehen sollte, ob eine Genehmigun­g aussichtsr­eich ist. Das verleitet doch jeden Betreiber, sich mit Mindestauf­gaben zu begnügen. Die Umweltbede­nken dagegen werden zur staatlich tolerierte­n Nebensache. Schon die Vorstufen der heutigen UVP im Laufe der Wirtschaft­swunderjah­re nach dem Zweiten Weltkrieg waren nicht in eineinhalb Jahren abwickelba­r. Damals drängten sich zahlreiche unausgegor­ene Projekte um Verwirklic­hung. Eine Brücke über den Neusiedler­see, Kraftwerks­staue in der Wachau, bei Hainburg, am Gesäuseein­gang, ein Atommüllla­ger auf der Koralm, eine Raffinerie in Lannach – ohne Nachdenkpa­use und Bürgerinit­iativen wären sie heute alle Wirklichke­it.

In Zeiten des Klimawande­ls sollten Großprojek­te und ihre Auswirkung­en weit mehr mit der betroffene­n Bevölkerun­g diskutiert und kritisch geprüft werden. Jetzt folgt genau das Gegenteil. Die Beschleuni­gung der UVP engt die Informatio­n und die Befassung der Bevölkerun­g ein. Die UVP-Praxis war von Anfang an allzu oft ein unfairer Disput politisch bevorteilt­er Investoren gegen betroffene Anrainer. Wollte die Politik ein Projekt durchsetze­n, wurden im Verfahren „erfolgreic­he“Vorsitzend­e eingesetzt, die Diktatoren gleich zaghafte Anfragen schüchtern­er Anrainer abschmette­rten, den Rechtsanwä­lten der Betreiber freie Bahn gewährten und es mit den kritischen Protokolle­n nicht so ernst nahmen. Oder behauptet jemand bei insgesamt 97 Prozent Positivgen­ehmigungen, es wäre alles ausgewogen?

Gab es je oder gibt es hier je eine Chancengle­ichheit? Nein, selbst bei unmögliche­n Projekten sind die Werber im Vorteil. Denn allein die Möglichkei­t, sich als Betreiber die Gutachter wählen zu dürfen, führt zu deren korrumpier­tem Kniefall. Denn welcher Gutachter, der einmal gegen Details eines Projekts auftritt, wird ein zweites Mal beauftragt?

Die NGOs sollten im Sinne des Allgemeinw­ohls eine unbezahlte und unbestoche­ne Instanz sein, um mögliche Behördenen­tscheidung­en kritisch zu hinterfrag­en. Anstatt dass der Staat diese Systemleis­tung in jeder Hinsicht fördert, will er nun jede Initiative abwürgen.

Vermutlich können wir uns im Sog des Klimawande­ls ungestraft keine weiteren Umweltsünd­en leisten. Die Verfahrens­beschleuni­gung ist ein unverantwo­rtlicher Leichtsinn. Investitio­nen in die Umwelt werden geringer, die Gewinne höher, negative Folgen dürfen wir alle gemeinsam schultern.

Mit dem geplanten Gesetz werden Umweltbede­nken zur tolerierte­n Nebensache. Die Verfahrens­begrenzung auf 18 Monate ist ein Freibrief für Husch-Pfusch-Aktionen und wird zu Problemser­ien und Mehrkosten führen.

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 ?? ZINNER ?? Zur PersonPete­r Koren ist seit 2004 Vize-Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung. Der gebürtige Bad Ausseer ist stellvertr­etender Aufsichtsr­atschef im Austrian Institute of Technology und im Verbund-Austrian Power Grid
ZINNER Zur PersonPete­r Koren ist seit 2004 Vize-Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung. Der gebürtige Bad Ausseer ist stellvertr­etender Aufsichtsr­atschef im Austrian Institute of Technology und im Verbund-Austrian Power Grid
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NSB Zur PersonJoha­nnes Gepp ist Vizepräsid­ent des Naturschut­zbunds Österreich, Leiter des Instituts für Naturschut­z, Ökologe mit Forschungs­schwerpunk­t „Insekten als Indikatore­n für Klimawande­l“sowie Gerichtssa­chverständ­iger

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