Seekrieg um die Straße von Kertsch
Nach dem blutigen Seegefecht im Schwarzen Meer schieben sich Russen und Ukrainer gegenseitig die Schuld zu. Dabei könnte der Konflikt den Machthabern in beiden Ländern nutzen.
Der ukrainische Schlepper ist klein und grau wie das Schwarze Meer. Er verlangsamt seine Fahrt, um den Zusammenstoß mit dem russischen Schiff, das ihm den Weg abschneidet, zu vermeiden. Aber hinter ihm rauscht ein anderer Russe heran. „Zerquetsch ihn von rechts!“, ruft eine Männerstimme von der Kommandobrücke, es folgt ein Schimpfwort. Das russische Schiff dreht auf den viel kleineren ukrainischen Schlepper zu, den er wenig später rammt. „Hündin!“, jubelt die Männerstimme.
Am Sonntag lieferten sich Russland und die Ukraine in der Meerenge von Kertsch ein Seegefecht, mehrere Videos zeugen vom Sieg der Russen: Schiffe des russischen Grenzschutzes rammten den ukrainischen Schlepper „Jany Kapu“, beschossen die beiden Schnellboote „Berdjansk“und „Nikopol“und kaperten alle drei Gefährte.
Nach ukrainischen Angaben wurden drei Besatzungsmitglieder verletzt und 23 gefangen genommen. Ihr Verband war auf dem Weg vom Schwarzen ins Asowsche Meer. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB, auch zuständig für den Grenzschutz, teilte mit, die Ukrainer hätten die russische Staatsgrenze verletzt, die Aufforderungen der russischen Grenzschützer ignoriert und gefährliche Manöver veranstaltet. Deshalb habe man das Feuer auf sie eröffnet.
Zuvor blockierte die russische Seite die Durchfahrt unter der Brücke von Kertsch, die die annektierte Krim und das russische Festland verbindet, mit einem quergestellten Tanker.
„Die Ukrainer haben sich wie Straßenrowdys benommen, die im Autoverkehr zickzack fahren und nicht auf die Befehle der Verkehrspolizei hören. Dann ist diese gezwungen, Gewalt anzuwenden“, erklärt der Moskauer Militärexperte Wiktor Litowkin der Kleinen Zeitung. Die erbeuteten Schiffe und ihre Mannschaften wurden in den Hafen von Kertsch gebracht. Nach russischer Ansicht trägt die Ukraine die volle Verantwortung für die Eskalation.
„Es handelt sich um eine sehr gefährliche Provokation“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Außenminister Sergei Lawrow sprach von einer „eindeutigen Provokation“. Die Ukraine hätte gegen das internationale Recht und die Sicherheit der Seefahrt in der Meerenge verstoßen. „Wir fordern die west- Sponsoren Kiews in aller Schärfe auf, die zur Räson zu bringen, die jetzt versuchen, mit kriegerischer Hysterie politische Punkte bei den kommenden Wahlen in der Ukraine zu sammeln.“Eine „skandalöse Verletzung“der ukrainischen Souveränität warf dagegen die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, Russland bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates vor. Später dann erklärte US-Präsident Donald Trump, er sei „nicht glücklich“über die neuen Spannungen zwischen Moskau und Kiew.
die russischen Argumente völkerrechtlich strittig. Nach Angaben aus Moskau verletzten die drei ukrainischen Schiffe, die aus Odessa kamen, schon auf der Fahrt durchs Schwarze Meer die russische 12Meilen-Zone vor der Küste der Krim. Jedoch erkennen weder die Ukraine noch die Mehrzahl der UN-Mitgliedsstaaten den Anschluss der Halbinsel durch Russland an, also auch nicht seinen Anspruch auf die Hoheit über die Ufergewässer dort. Außerdem unterzeichneten beide Länder 2003 einen Vertrag über die gemeinsame Nutzung
Odessa des Asowschen Meeres, in dem es heißt: „Handels- und Kriegsschiffe (…) unter der Flagge Russlands oder der Ukraine (…) besitzen im Asowschen Meer und in der Straße von Kertsch das Recht auf freie Schifffahrt.“Auch die Moskauer Zeitung „Kommersant“konstatiert, dass die ukrainischen Schiffe Anspruch auf ungehinderten Zugang durch die Meerenge ins Asowsche Meer haben.
„Und selbst vom Standpunkt Russlands aus gesehen ist die Gewalt, die seine Seestreitkräfte gegen unsere Schiffe angewenlichen