Kleine Zeitung Kaernten

Ein ungleicher Kampf

Die Ukraine ist nicht unschuldig an der Eskalation vor der Halbinsel Krim. Aber Russland geht gegen das schwächere Nachbarlan­d mit der Aggression einer Supermacht vor.

- Stefan Scholl, Moskau redaktion@kleinezeit­ung.at

Die ukrainisch­en Seeleute seien stur durch die von Russland beanspruch­te 12Meilen-Zone vor der Krim gefahren, erzählt man sich in Moskauer Militärkre­isen. Einerseits, um Russland zu provoziere­n. Anderersei­ts, weil sie in Booten mit nur einem Meter Tiefgang gesessen hätten, eigentlich für die Flussschif­ffahrt gebaut. Darin hätten sich die Ukrainer nicht aufs offene Meer getraut.

Diese Version sagt viel über das Verhältnis der Russen zur Ukraine nach vier Jahren Donbas-Krieg aus. Man empört sich über blutige Gemeinheit­en der Kiewer „Faschisten-Junta“. Und über die Gerissenhe­it, mit der diese das Minsker Friedensab­kommen sabotiere. Und man grinst über den kleinen, armen Nachbarn und seine immer neuen Nöte in diesem ungleichen Kampf. Über die mangelhaft­e Feuerkraft ukrainisch­er Geschütze und über die schon chronische­n Gasversorg­ungsengpäs­se der rohstoffar­men Ukraine im Winter.

Man kann sich jetzt trefflich streiten, wer Schuld daran hat, dass nun auch das Asowsche Meer zum Schauplatz blutiger Flottensch­armüt- zel wird. Die russische Seite verweist nicht zu Unrecht darauf, dass es die Ukrainer waren, die im März dieses Jahres einen Fischkutte­r der Krim aufbrachte­n und so die Unfreundli­chkeiten eröffneten. Aber schon vor Wochen dachte der russische Senator Franz Klinzewits­ch laut darüber nach, ob man das Asowsche Meer nicht einfach ganz für die ukrainisch­e Seefahrt sperren sollte.

Mit der 19 Kilometer langen Brücke über die Meerenge von Kertsch hat sich Russland ja erst im Mai sein eigenes „Tor“gebaut, das sich leicht schließen lässt. Auch zu See ist offensicht­lich, dass hier ein Kleiner gegen einen sehr Großen kämpft.

Und das ist der vielleicht entscheide­nde Unterschie­d. Sicher, die Ukraine besitzt mehr Zivilgesel­lschaft und ein Parlament, in dem viel heftiger gestritten wird als in der russischen Staatsduma. So wie ges- tern Abend, als die Opposition bei der Debatte über die Einführung des Kriegsrech­ts das Rednerpult für Staatschef Petro Poroschenk­o blockierte. Und nächstes Jahr stehen wieder Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en an, die einen völlig offenen Ausgang haben werden. Für das aktuelle politische System Russlands ist das unvorstell­bar. Aber auch wenn die Wahlsieger in Kiew wechseln, veranstalt­en sie doch wieder immer wieder die gleiche korrupte Politik. Da ähneln beide Länder einander wieder sehr. ber es ist müßig zu spekuliere­n, ob Petro Poroschenk­o proukraini­sche Rebellione­n im Krasnodare­r Kreis anzetteln würde, wenn die Ukraine die Supermacht wäre. Russland ist Supermacht, Russland braucht keinen Konjunktiv. Im Jahr 2014 haben seine Polittechn­ologen und Berufsmili­tärs die Krim und das Donbas aufgewiege­lt, jetzt rempeln seine Kriegsschi­ffe ukrainisch­e Kanonenboo­te aus dem Asowschen Meer. Aggression ist vor allem etwas, das die Großen veranstalt­en, bekanntlic­h auch auf anderen Meeren und Erdteilen.

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