Kleine Zeitung Kaernten

Dreikampf um Merkels Nachfolge

Wer tritt die Nachfolge der Kanzlerin an? Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, oder Jens Spahn? Das Rennen ist offen und wird härter. Die Entscheidu­ng fällt am Parteitag am 7. und 8. Dezember in Hamburg.

- Von Thorsten Knuf aus Berlin

Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist eine Frau, die weiß, was sie will. Eine, die sich von männlichen AlphaTiere­n nicht einschücht­ern lässt und im Ton stets freundlich bleibt, in der Sache aber hart. „AKK“wird die Frau mit dem Doppelname­n parteiinte­rn genannt. Das klingt nicht weich, sondern ziemlich robust.

Gerade bemüht sich die CDU-Generalsek­retärin darum, als Nachfolger­in Angela Merkels Vorsitzend­e der christlich-demokratis­chen Union Deutschlan­ds zu werden. Die beiden Frauen stehen sich nahe, menschlich wie politisch. Kramp-Karrenbaue­r sei eine „Mini-Merkel“, heißt es mitunter. Die ehemalige Ministerpr­äsidentin des Saarlands kann damit nichts anfangen. Sie pflegt dann zu sagen, dass sie 56 Jahre alt sei, drei erwachsene Kinder habe und eine veritable Karriere vorweisen könne. „An mir ist überhaupt nichts mini.“

Die CDU wird auf ihrem Parteitag am 7. und 8. Dezember in Hamburg eine neue Vorsitzend­e oder einen neuen Vorsitzend­en wählen. Seit Kanzlerin Merkel Ende Oktober unter dem Eindruck katastroph­aler Wahlergebn­isse in Hessen und Bayern angekündig­t hatte, den Partei- vorsitz abzugeben, tanzen im Nachbarlan­d die Verhältnis­se. Es ist der Anfang vom Ende der Ära, auch wenn Angela Merkel noch bis zum Ende der Legislatur­periode im Jahr 2021 Regierungs­chefin bleiben will.

Drei aussichtsr­eiche Bewerber um den CDU-Vorsitz gibt es. Neben Kramp-Karrenbaue­r sind das der Wirtschaft­sanwalt und ehemalige Fraktionsv­orsitzende Friedrich Merz (63) sowie Gesundheit­sminister Jens Spahn (38). Derzeit vergeht kein Tag, an dem sich nicht mindestens einer der drei Bewerber öffentlich zu Wort meldet und dem Publikum erklärt, warum sie oder er die richtige Wahl wäre. Und eigentlich geht es ja um viel mehr als um den Vorsitz der Partei. Wer deren Chef ist, will auch Kanzler werden. Die einen Kandidaten wohl eher früher, die anderen notfalls auch später.

Überall im Land finden sogenannte Regionalko­nferenzen statt, auf denen sich die Kandidaten der Parteibasi­s stellen. Offene Debatten und ungelöste Machtkämpf­e sind sie in der Partei eigentlich nicht gewöhnt. Die CDU gilt seit jeher als Kanzlerwah­lverein. Merkel hat die CDU mehr als 18 Jahre lang geführt, das ist nach politische­n Maßstäben eine Ewigkeit.

Die Entscheidu­ng über

den

CDU-Chef werden die rund 1000 Parteitags­delegierte­n fällen – Ausgang ungewiss. Aber ginge es nach den Wählern, wäre die Sache ziemlich klar: Unter der Anhängersc­haft der Partei ist Kramp-Karrenbaue­r die klare Favoritin, wie vor wenigen Tagen eine Umfrage der Forschungs­gruppe Wahlen für das ZDF bestätigte. Sie konnte ihren Vorsprung gegenüber Merz und Spahn sogar noch ausbauen. In der Erhebung gaben 38 Prozent der Befragten an, dass Kramp-Karrenbaue­r neue Parteivors­itzende werden solle. Merz kam auf 29 und Spahn sogar nur auf 6 Prozent.

Kramp-Karrenbaue­r steht im Wettstreit der Kandidaten für größtmögli­che Kontinuitä­t. Angela Merkel hatte die CDU einst modernisie­rt und weit zur linken Mitte geöffnet – was die deutsche Sozialdemo­kratie nachhaltig schwächte. Es ist anzunehmen, dass die Noch-Vorsitzend­e ihr Erbe bewahren möchte und deshalb gern

Kramp-Karrenbaue­r an der Parteispit­ze sähe. Eine öffentlich­e Festlegung Merkels gibt es dazu bislang aber nicht.

Friedrich Merz hat vor allem in Wirtschaft­skreisen einen Ruf wie Donnerhall. Der Kanzlerin ist er seit vielen Jahren in herzlicher Abneigung verbunden. Der Sauerlände­r galt lange Zeit als einer jener zahlreiche­n Männer, die Merkel im Laufe ihrer Karriere eiskalt ausgeschal­tet und ins politische Jenseits befördert hatte. Nach der verlorenen Bundestags­wahl 2002 – also drei Jahre vor ihrer ersten Kanzlersch­aft – sicherte sich Parteichef­in Merkel auch den Vorsitz der Bundestags­fraktion. Amtsinhabe­r Merz musste weichen. Er blieb noch bis 2009 Abgeordnet­er, konzentrie­rte sich dann aber auf seinen Beruf als Anwalt. In der Partei trat er nicht mehr groß in Erscheinun­g.

Merz verspricht der CDU jetzt „Aufbruch und Erneuerung“. Er wagt sich europapoli­künftigen

tisch recht weit hervor und verlangt, dass Deutschlan­d gemeinsam mit Frankreich entschloss­ene Initiative­n zur Vertiefung der Gemeinscha­ft vorantreib­en müsse. An der Basis stieß Merz’ Aussage auf Interesse, dass er sich zutraue, den Stimmenant­eil der rechtspopu­listischen AfD zu halbieren und die CDU selbst wieder zur 40Prozent-Partei zu machen.

Gleichwohl ist Merz in der Defensive: Mit seiner Tätigkeit in der Wirtschaft hat er viel Geld verdient. Er arbeitet auch für Unternehme­n, die in den CumEx-Finanzskan­dal um Steuer-Manipulati­onen bei Börsengesc­häften verwickelt sein sollen. Merz ist ein reicher Mann, er besitzt zwei Flugzeuge, eine Pilotenliz­enz und verdient nach eigenen Angaben rund eine Million Euro pro Jahr. Der Spott war groß, als Merz unlängst von sich behauptete, dass er Teil der „oberen Mittelschi­cht“sei.

Bei einer Regionalko­nferenz stellte er in der vergangene­n Woche zudem das Grundrecht auf Asyl infrage, ruderte dann aber schnell wieder zurück. Das Thema ist in Deutschlan­d symbolisch stark aufgeladen. Rechtsanwa­lt Merz hatte offenbar auch nicht mitbekomme­n, dass der einschlägi­ge Grundgeset­z-Artikel in der deutschen Asyl-Praxis so gut wie keine Rolle mehr spielt.

Auch Jens Spahn versucht, am rechten Rand zu punkten – bisher ebenfalls ohne Erfolg. Auf sein Drängen hin wird sich der Hamburger Parteitag mit dem umstritten­en UN-Migrations­pakt befassen. In Deutschlan­d mobilisier­t die rechtspopu­listische AfD gegen das Vertragswe­rk. Die Abgeordnet­en der beiden Regierungs­fraktionen, Union und SPD, stimmten Dienstagab­end in Berlin für einen gemeinsam geplanten Entschließ­ungsantrag zu dem Pakt, über den der Bundestag morgen entscheide­n soll.

Ansonsten versucht Spahn, sich als Vertreter der jüngeren Generation mit klar konservati­vem Wertekompa­ss in Szene zu setzen. Er orientiert sich am österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz, dem er freundscha­ftlich verbunden ist. Mit 38 Jahren ist Spahn zwar jung. Er gilt trotzdem seit geraumer Zeit als Widersache­r Merkels und ihres Kurses der Mitte. Sollte Spahn jetzt verlieren, kann er trotzdem entspannt bleiben: Seine Zeit wird noch kommen. Bisher ist es so, dass die jüngsten Ausflüge von Friedrich Merz und Jens Spahn nach rechts vor allem einem nützen: dem politische­n Gegner, der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD). In Deutschlan­d wird wieder verstärkt über die Flüchtling­spolitik diskutiert – mit dem Ergebnis, dass in den jüngsten Umfragen die Werte für die Union nach unten, die für die AfD aber nach oben gehen.

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Die Uneitle Annegret Kramp-Karrenbaue­r, unionsinte­rn AKK genannt, genießt als uneitle CDU-Generalsek­retärin hohe Sympathiew­erte in Partei und Bevölkerun­g. Für viele ist sie aber zu nah an Merkel.Der Ehrgeizige­Jens Spahn, Bundesgesu­ndheitsmin­ister, ist zur Symbolfigu­r der Merkel-Kritiker geworden, steht für eine konservati­ve Erneuerung und hat Rückendeck­ung vom Wirtschaft­sflügel.
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APA/AFP Es ist zwar nur ein Abgang in Raten. Aber Angela Merkels Rückzug von der CDUSpitze mischt in Berlin die politische­n Karten neu
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APA (3) Der Analytiker­Friedrich Merz gilt als brillanter Redner,aberschlec­hterZuhöre­r. Seine Aversion für Merkels Politik ist weithin bekannt, er spricht meistens Klartext, gilt aber auch als Spalter der Union.

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