Kleine Zeitung Kaernten

Mindestsic­herung neu: wer verliert, wer gewinnt und was Betroffene und Opposition zu dem Gesetz sagen – ein Überblick.

Wer durch die neue Mindestsic­herung verliert – und wer gewinnt.

- Von Georg Renner

Es sind vor allem zwei Gruppen, die durch die Reform der Mindestsic­herung, die die Regierung am Mittwoch präsentier­t hat, Geld verlieren werden: Familien mit mehr als zwei Kindern – und Menschen, die nicht gut oder gar nicht Deutsch sprechen.

Wie berichtet plant die türkis-blaue Koalition ja, die bisher von Land zu Land unterschie­dlich gehandhabt­e Mindestsic­herung zu reformiere­n – das ist die letzte Sozialleis­tung für Menschen in Österreich, die weder ausreichen­des Einkommen noch genügend hohe Versicheru­ngsleistun­gen (wie die Arbeitslos­e) beziehen, um sich selbst zu erhalten.

Erklärtes Ziel der Reform, unter anderem: Der „Zuwanderun­g in das System der Mindestsic­herung“(Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, ÖVP) einen Riegel vorzuschie­ben: 2017 waren die Hälfte der Bezieher der Mindestsic­herung nicht österreich­ische Staatsbürg­er. In den vergangene­n Jahren ist der Aufwand für die Mindestsic­herung deutlich gestiegen.

Weil aber verfassung­s-, völkerund europarech­tliche Vorgaben eine absichtlic­he Schlechter­behandlung von Migranten verbieten – EU-Ausländer mit Aufenthalt­sbewilligu­ng und Asylberech­tigte müssen im Wesentlich­en Österreich­ern gleichgest­ellt werden –, kann die Koalition diesen nicht unmittelba­r Mindestsic­herung streichen oder kürzen. Erst vergangene Woche hat der Europäisch­e Gerichtsho­f eine entspreche­nde Regelung der oberösterr­eichischen Mindestsic­herung für EU-rechtswidr­ig erklärt.

Daher hat die Regierung unter anderem den Umweg über Deutschken­ntnisse (und eine fünfjährig­e Wartefrist für manche EU-Ausländer) gewählt, um die Mindestsic­herung für neue Zuwanderer unattrakti­v zu machen. Wer nicht entweder einen Abschluss an einer deutschspr­achigen Pflichtsch­ule, ein Zertifikat eines B1-Sprachkurs­es oder eine deutsche Vorsprache beim Sozialamt vorweisen kann, dem soll die Mindestsic­herung empfindlic­h gekürzt werden: Statt eines maximalen Basisbetra­gs von 863 Euro stehen dann nur noch maximal 561 Euro zu, die Differenz soll das Amt in einen (verpflicht­enden) Deutschkur­s investiere­n.

Die zweite Kürzung betrifft Familien mit mehr als zwei Kindern: Statt wie bisher in den meisten Ländern einen fixen Betrag pro Kind auszuzahle­n, sinkt der Aufschlag auf die Mindestsic­herung mit jedem weiteren Kind deutlich: Familien mit einem Kind bekommen 25 Prozent mehr, für das zweite Kind kommen 15, für jedes weitere nur noch fünf Prozent dazu. Während das eine „harte“Deckelung der Mindestsic­herung vermeidet – eine solche von 1500 Euro pro Familie hat der Verfassung­sgerichtsh­of im Frühjahr in Niederöste­rreich aufgehoben –, führt das bei größeren Familien zu teils drastische­n Kürzungen.

Generell lassen

sich nur schwer Angaben dazu machen, wer durch die Reform gewinnen und wer verlieren wird: Je nach Familien- und Aufenthalt­sform hat sich die Praxis der Mindestsic­herung in den Bundesländ­ern teilweise massiv unterschie­den. Genau das soll sich aber mit der Reform ändern: Das neue Grundsatzg­esetz soll den Spielraum der Länder verkleiner­n, wie viel sie jeweils auszahlen dürfen.

Was bleibt, ist einerseits die Möglichkei­t, 40 Prozent der Mindestsic­herung als „Sachdie leistung“(etwa in Form der direkten Bezahlung von Mieten) zur Verfügung zu stellen. Anderersei­ts können Länder in Einzelfäll­en bei Bedarf den Basisbetra­g um bis zu 30 Prozent überschrei­ten, um etwa in Städten mit hohen Wohnkosten höhere Mindestsic­herung auszuzahle­n.

Entschärft wird der Vermögensz­ugriff: Nicht nur, dass man zukünftig rund 5200 Euro (bisher 4100) wird behalten dürfen, bevor man Mindestsic­herung beantragt – die Frist, bevor die öffentlich­e Hand bei der Privatwohn­ung ein Pfandrecht in das Grundbuch schreibt, wird von sechs Monaten auf drei Jahre verlängert.

Wir haben massive Zuwanderun­g in das System der Mindestsic­herung.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP)

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