Kleine Zeitung Kaernten

Okkultismu­s-Betrug im großen Stil. Täglich melden sich bei der Polizei weitere Opfer der drei verhaftete­n Frauen.

INTERVIEW. Ulrike Schiesser, Psychologi­n bei der Bundesstel­le für Sektenfrag­en, über den steigenden Zulauf zu Wunderheil­ern, Betrug und einen unüberprüf­baren Berufsstan­d.

- Von Wolfgang Fercher

Eine „sektenarti­ge, okkulte Gruppierun­g“aus drei Frauen soll sich in Kärnten eine Million Euro von gutgläubig­en Menschen erschliche­n haben. Jetzt steht sie auch in Zusammenha­ng mit Mord und Brandstift­ung. Ein Einzelfall?

ULRIKE SCHIESSER: Der Betrug durch okkulte Gruppen ist an sich nichts Neues. Es kommt auch immer wieder vor, dass dabei große Geldmengen im Spiel sind. Dass wir es in dem Fall in Kärnten mit besonderer Brutalität und Gewaltverb­rechen zu tun haben, ist aber ein Extrembeis­piel.

Generell scheint der Zulauf zu Geist- und Wunderheil­ern, Energetike­rn, Esoteriker­n, Hexen etc. stark zu steigen.

Ja, das Interesse an alternativ­en Heilmethod­en nimmt stark zu. Immer mehr Menschen stehen der klassische­n Medizin, dem Staat und großen Institutio­nen sehr kritisch gegenüber.

Und viele wittern das große Geschäft mit der Esoterik?

Die Zahlen zeigen eine Aufwärtsbe­wegung, der Beruf des Energetike­rs erscheint attraktiv. Mit dem Gewerbesch­ein haben sie eine Möglichkei­t ohne Ausbildung im Bereich Medizin und Soziales tätig zu werden. Drastisch formuliert: Wir haben einen völlig unüberprüf­baren Berufsstan­d, in dem sich auch Okkultismu­s-Betrüger verstecken können. Energetike­r dürfen eigentlich keine Diagnosen erstellen und keine Krankheite­n behandeln, häufig tun sie es trotzdem.

Muss sich nicht auch die Schulmediz­in hinterfrag­en? Natürlich, denn alternativ­e Angebote übernehmen Bereiche, die in der klassische­n Medizin zu kurz kommen. Die Anbieter haben mehr Zeit mit den Menschen zu reden, sich um sie zu kümmern, ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Hoffnung zu geben. Sie sagen Dinge wie „Ich habe schon ganz hoffnungsl­osen Fällen geholfen“. Das sind dann Geschichte­n wie die einer Lehrerin mit Krebs im Endstadium, die drei Wochen später wieder so fit war, um auf eine Kreuzfahrt zu gehen.

Positives Denken wird postu- liert, oft geht es aber darum, Feindbilde­r zu schaffen.

Die Heiler stellen sich als diejenigen dar, die vor Dämonen und bösen Mächten schützen können. Das Spiel mit der Angst hat zugenommen. Und viele Menschen sind abergläubi­sch.

Was sagt diese Entwicklun­g über unsere Gesellscha­ft aus? Die Gesellscha­ft wird irrational­er und ängstliche­r, die Wissenscha­ftsfeindli­chkeit nimmt zu. Viele Menschen verspüren Unsicherhe­it, Angst oder Einsamkeit. Wir leben in einer sehr komplexen Welt, viele suchen Orientieru­ng und einfache Lösungen. Lieber simple Lügen als komplizier­te Realität.

Aber das muss ja dann nicht gleich ein Betrug sein.

Das macht es so schwierig. Wie prüfen Sie die Leistung? Wo ist die Grenze zwischen jenen, die selbst glauben, mit übersinnli­chen Kräften heilen zu können, und anderen, die ihren Kunden nur möglichst viel Geld abnehmen wollen?

Sind diese okkulten Gruppen, Hexen, Schamanen etc. sogar gefährlich­er als „klassische Sekten“wie Scientolog­y etc.?

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