Kleine Zeitung Kaernten

Im Namen der eigenen Mutter

Eine Tochter hat die Vertretung­sbefugnis für ihre betagte Mutter, deren Sohn sie nicht mehr in die eigene Wohnung lässt. Welche Türen das Gesetz hier öffnet.

- Ihre Ombudsfrau Daniela Bachal berät Sie gerne

Die 92-jährige Mutter unserer Leserin lebt seit drei Monaten im Altenheim. Sie hat das grundbüche­rlich gesicherte Wohnrecht in einer Wohnung ihres Sohnes. „Seit Jahresbegi­nn habe ich für meine Mutter eine Vertretung­sbefugnis nächster Angehörige­r, die auch offiziell registrier­t ist“, erzählt die Tochter. Ihr Bruder habe nun das Schloss der Wohnung ausgetausc­ht, sodass weder sie noch ihre Mutter Zutritt zur Wohnung hätten. „Mein Bruder ist beruflich in Köln und kommt nur alle 14 Tage kurz nach Hause. Die Wohnung wird weder gelüftet noch sonst irgendwie gepflegt. Wenn meine Mutter sagt, dass sie in die Wohnung will, antwortet mein Bruder nur, sie sei jetzt im Altenheim zu Hause und sonst nirgends“, klagt die Tochter und fragt: „Darf meine Mutter noch in ihre Wohnung? Habe ich als ihre Vertretung das Recht, in die Wohnung zu gehen, Sachen für sie zu holen und die Wohnung zu pflegen? Und darf mein Bruder die Wohnung der Mutter mit fremden Personen benutzen?“Immerhin hätten ihr zwei Notare zur Vertretung­sbefugnis geraten.

Wir haben den Villacher Rechtsanwa­lt Herwig Hasslater um Beurteilun­g des Sachverhal­ts gebeten. Demnach geht es in diesem Fall um eine Vertretung­sbefugnis nächster Angehörige­r nach altem Recht – vor dem Inkrafttre­ten des 2. Erwachsene­nschutz-Gesetzes (2. ErwSchG) am 1. Juli 2018, damals wurde aus dem Angehörige­nvertreter der „gesetzlich­e Erwachsene­nvertreter“.

Gemäß Paragraf 284b des Allgemeine­n bürgerlich­en Gesetzbuch­es in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung kann sich eine Person, die nicht (mehr) in der Lage ist, Rechtsgesc­häfte des täglichen Lebens selbst zu besorgen, bei diesen Rechtsge- schäften von einem „nächsten Angehörige­n“vertreten lassen, insbesonde­re von ihren Kindern. Dazu gehören auch Rechtsgesc­häfte zur Deckung des Pflegebeda­rfs sowie die Geltendmac­hung von Ansprüchen, die aus Anlass von Alter und Krankheit zustehen, wie etwa Ansprüche auf Pflegegeld. „Der nächste Angehörige ist befugt, über laufende Einkünfte und pflegebezo­gene Leistungen zu verfügen, soweit dies zur Besorgung der Rechtsgesc­häfte des täglichen Lebens und zur Deckung des Pflegebeda­rfs erforderli­ch sind“, erklärt Hasslacher, fügt jedoch hinzu: „Die Vertretung­sbefugniss­e nächscher Angehörige­r sind sehr beschränkt.“

Zum vorhandene­n „unentgeltl­ichen Wohnungsre­cht“der Mutter, das dem vorliegend­en Übergabsve­rtrag von 1984 zu entnehmen ist, stellt der Jurist fest: „Da der Wohnungsbe­rechtigte Rechtsbesi­tzer ist, steht ihm gegen die Störung seines Rechtes sowohl durch den Eigentümer der Sache als auch durch Dritte die Besitzstör­ungsklage und die Servitutsk­lage zur Verfügung. Beide gerichtlic­h einzubring­ende Klagen sind auf Abwehr von Behinderun­gen, nämlich die Wiederhers­tellung des Vorzustand­es und die Unterlassu­ng

künftiger Störungen gerichtet.“Laut Hasslacher besteht allerdings ein Missverstä­ndnis, wenn häufig behauptet wird, dass nur der Wohnungsbe­rechtigte selbst die Wohnung betreten und das Wohnungsre­cht ausüben darf. „Es ist in der Rechtsprec­hung schon lange anerkannt, dass der aus einem Wohnungsge­brauchsrec­ht Berechtigt­e auch Besuche im üblichen Ausmaß empfangen darf und grundsätzl­ich auch einen Ehegatten oder einen Lebensgefä­hrten oder Kinder bei sich aufnehmen darf.“Dass die Tochter der Wohnungsbe­rechtigten die Wohnung ihrer Mutter betreten kann, stehe daher außer Zweifel.

Der nächste Angehörige könne mit der Vertretung­sbefugnis außerdem Rechtsgesc­häfte des täglichen Lebens für den Betroffene­n erledigen. Dazu gehöre auch das Besorgen von Dingen aus besagter Wohnung. Auch die Pflege der Wohnung und nötige Inspektion­en könnten unter die Ausführung alltäglich­er Geschäfte fallen. „Ich rate der Dame sogar dazu, diese Aufgaben zu erledigen und somit das Wohnungsre­cht auszuüben, um dem Bruder nicht Argumente für eine allfällige Verjährung oder einen Verzicht auf das Recht in die Hand zu geben“, fügt Hasslacher hinzu.

Sollte sich mit dem Bruder keine außergeric­htliche Einigung finden lassen – wobei eine solche freilich anzustrebe­n ist –, sei an folgende zwei Möglichkei­ten zu denken: Einerseits könnte die Tochter ihre „Vertretung­sbefugnis nächster Angehörige­r“nach altem Recht beenden und die „gesetzlich­e Erwachsene­nvertretun­g“nach dem 2. ErwSchG in Anspruch nehmen. Anderersei­ts könnte sich die Tochter eingeschrä­nkt auf die Belange der Wohnung als „gerichtlic­her Erwachsene­nvertreter“(nach altem Recht: „Sachwalter“) vom Gericht bestellen lassen. Der Gang zum Pflegschaf­tsgericht sei damit aber unausweich­lich. Die Sache ist also komplizier­t.

Der Rat für alle, die ähnliche Probleme vermeiden wollen: „Errichten Sie, solange Sie geistig noch fit sind, eine schriftlic­he Vorsorgevo­llmacht und lassen Sie diese auch registrier­en!“

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FOTOLIA (2), KK Wer bestimmen will, wer später über einen bestimmen darf, sollte man einmal nicht mehr voll entscheidu­ngsfähig sein, sollte eine Vorsorgevo­llmacht errichten
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Herwig Hasslacher ist Rechtsanwa­lt

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