Sloweniens Premier Marjan Sareˇc über das AKW Krˇsko, die Folgen des Brexit und die anhaltenden Grenzkontrollen.
INTERVIEW. Sloweniens Regierungschef Marjan ˇSarec ist heute auf Staatsbesuch in Wien. In den Knackpunkten der österreichisch-slowenischen Beziehungen gibt er sich nach wenigen Monaten im Amt starr wie seine Vorgänger.
Am Weg nach Slowenien standen Polizisten an der Grenze und kontrollierten auf der Gegenfahrbahn die Einreisenden. Wie lange wird diese kuriose Situation innerhalb zweier Schengenländer andauern?
MARJAN Sˇ AREC: Wir verstehen, dass es überall dort Grenzkontrollen gibt, wo man sie braucht. Aber zwischen Österreich und Slowenien ist das sicher nicht der Fall. Wir haben eine Schengenaußengrenze und kontrollieren diese. Aber wenn die Deutschen die Grenzen nach Österreich kontrollieren, müssen die Österreicher das weiterreichen.
Kroatien kündigte an, dass es dem Schengenraum beitreten will. Am liebsten noch vor seiner Ratspräsidentschaft im Jahr 2020. Werden Sie das akzeptieren oder ein Veto einlegen? Woher kommt der Glaube, dass wir ein Veto einlegen? Es gibt europäische Institutionen, die prüfen, ob Kroatien die Kriterien erfüllt. Und an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina gibt es komplexe Situationen.
Sie kündigten unlängst an, dass Sie, wie Österreich, den UNMigrationspakt nicht unterschreiben werden.
Ich wurde falsch
interpretiert.
Slowenien wird also beitreten? Ja, aber kein UN-Vertrag löst das Migrationsproblem. Der Kyoto-Vertrag hat auch nicht für ein Gramm weniger CO2 oder Smog gesorgt. Der Vertrag ist Teil eines Lösungsweges.
Was bedeutet der Brexit für den Erweiterungsprozess der EU auf dem Westbalkan? Die ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken werden seit Jahren im Warteraum gehalten.
Ich sehe keine Verbindung zwischen dem Brexit und der Erweiterung. Außer vielleicht die eine: Die Leute in Großbritannien merken, dass sie das Ausscheiden nicht für nix haben können. Die EU ist sicher kein Land, in dem Milch und Honig fließen, aber es ist besser, dabei zu sein. Das wird durch den Brexit klarer.
Wie sehen Sie das Ausscheren der Italiener bei den Budgetvorgaben?
Am Ende wird keine Suppe so heiß gegessen wie gekocht. Die Italiener sind ein großes und starkes Land, diese Länder tragen die EU. Es gibt da ein Sprichwort: „Klare Rechnung, gute Freunde“, das sollte man in der EU umsetzen. Dass irgendwer in Italien so suizidal ist, aus dem Euro auszutreten, glaube ich nicht.
Österreich will Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft anbie-
ten. Wollen Sie das den Slowenen in Österreich auch anbieten? Das ist kein akutes Thema, wir ermöglichen die Doppelstaatsbürgerschaft schon jetzt.
Sie sprechen wie Staatspräsident Borut Pahor und bezeichnen die Altösterreicher als Slowenen, die Deutsch sprechen – und ausdrücklich nicht als Minderheit Ihres Landes.
Wir haben Ungarn und Italiener als Minderheiten im Land, mit allen Rechten. Aber mit den deutschsprachigen Slowenen ist das eine andere Sache. Alleine schon, weil sie kein geschlossenes Siedlungsgebiet haben.
Umgekehrt kritisieren Sie zu geringe Unterstützung für die slowenische Volksgruppe durch die österreichische Bundesregierung.
Schauen Sie, beim Plebiszit 1920 haben wir etwas verloren ...
Sie sagen „verloren“? Natürlich, Klagenfurt war damals eine slowenischere Stadt als etwa Marburg. Die Leute haben sich für Österreich entschieden, das ist zu akzeptieren. Aber wir dürfen verlangen, dass man sie in Frieden dort leben und ihre Kultur entfalten lässt. Das funktioniert vor allem wegen der Landeshauptleute. Und das machen wir umgekehrt auch.
Werden Sie bei den 100-JahrFeierlichkeiten zur Volksabstimmung im Jahr 2020 auf der Ehrentribüne in Klagenfurt Platz nehmen?
Das Wort Plebiszit ist für uns kein einfaches. Erst 1990, als wir
durch unser Unabhängigkeitsplebiszit unsere staatliche Selbstständigkeit erlangten, wurde es positiv besetzt. Aber ich betone: Mittlerweile gibt es keinerlei Gebietsansprüche mehr, alleine der Text unserer Hymne! Welches andere Volk wünscht den anderen Völkern alles Gute?
Jetzt wissen wir immer noch nicht, ob Sie zur Feier kommen.
Es ist noch nicht morgen.
Meinen Sie, 2020 noch Regierungschef zu sein?
Unsere Koalition ist bunt. In einer Minderheitsregierung hast du dich auf neun Wünsche geeinigt und kannst sicher sein, dass gleich der zehnte am Tisch landet. Über die Amtszeiten wissen in Slowenien nur der Staatspräsident und die Bürgermeister vorab Bescheid.
Sloweniens Wirtschaft wächst zwar gut, aber Reformen werden immer noch blockiert. Ist für Sie ein Arbeitszeitgesetz mit einem 12-Stunden-Tag wie in Österreich denkbar?
Solche tektonischen Themen werden nicht über Nacht entwickelt. Da haben wir unsere Sozialpartnerschaft. Wir arbeiten nun daran, dass Genehmigungen schneller erfolgen, Bürokratie weniger wird.
Werden Sie der Premierminister sein, der das Atomkraftwerk Krsˇko abschaltet?
Wir führen einen regelmäßigen Dialog mit Österreich auf dem Gebiet der Kernenergie, Krˇsko hat die höchsten Sicherheitsstandards.
Im September gingen Bilder einer paramilitärischen Einheit aus der Untersteiermark um die Welt.
Es gibt in jeder Gesellschaft einen Prozentsatz, der sich einfache Antworten wünscht. Aber ich sehe das auch als Aufgabe für die EU-Wahl, dass wir gegen diese extremen Positionen ankämpfen. Ich bin auch ein Heimatliebender, aber deshalb noch lange kein Nationalist.