Kleine Zeitung Kaernten

Sloweniens Premier Marjan Sareˇc über das AKW Krˇsko, die Folgen des Brexit und die anhaltende­n Grenzkontr­ollen.

INTERVIEW. Sloweniens Regierungs­chef Marjan ˇSarec ist heute auf Staatsbesu­ch in Wien. In den Knackpunkt­en der österreich­isch-slowenisch­en Beziehunge­n gibt er sich nach wenigen Monaten im Amt starr wie seine Vorgänger.

- Von Thomas Cik und Uwe Sommersgut­er

Am Weg nach Slowenien standen Polizisten an der Grenze und kontrollie­rten auf der Gegenfahrb­ahn die Einreisend­en. Wie lange wird diese kuriose Situation innerhalb zweier Schengenlä­nder andauern?

MARJAN Sˇ AREC: Wir verstehen, dass es überall dort Grenzkontr­ollen gibt, wo man sie braucht. Aber zwischen Österreich und Slowenien ist das sicher nicht der Fall. Wir haben eine Schengenau­ßengrenze und kontrollie­ren diese. Aber wenn die Deutschen die Grenzen nach Österreich kontrollie­ren, müssen die Österreich­er das weiterreic­hen.

Kroatien kündigte an, dass es dem Schengenra­um beitreten will. Am liebsten noch vor seiner Ratspräsid­entschaft im Jahr 2020. Werden Sie das akzeptiere­n oder ein Veto einlegen? Woher kommt der Glaube, dass wir ein Veto einlegen? Es gibt europäisch­e Institutio­nen, die prüfen, ob Kroatien die Kriterien erfüllt. Und an der Grenze zu Bosnien-Herzegowin­a gibt es komplexe Situatione­n.

Sie kündigten unlängst an, dass Sie, wie Österreich, den UNMigratio­nspakt nicht unterschre­iben werden.

Ich wurde falsch

interpreti­ert.

Slowenien wird also beitreten? Ja, aber kein UN-Vertrag löst das Migrations­problem. Der Kyoto-Vertrag hat auch nicht für ein Gramm weniger CO2 oder Smog gesorgt. Der Vertrag ist Teil eines Lösungsweg­es.

Was bedeutet der Brexit für den Erweiterun­gsprozess der EU auf dem Westbalkan? Die ehemaligen jugoslawis­chen Teilrepubl­iken werden seit Jahren im Warteraum gehalten.

Ich sehe keine Verbindung zwischen dem Brexit und der Erweiterun­g. Außer vielleicht die eine: Die Leute in Großbritan­nien merken, dass sie das Ausscheide­n nicht für nix haben können. Die EU ist sicher kein Land, in dem Milch und Honig fließen, aber es ist besser, dabei zu sein. Das wird durch den Brexit klarer.

Wie sehen Sie das Ausscheren der Italiener bei den Budgetvorg­aben?

Am Ende wird keine Suppe so heiß gegessen wie gekocht. Die Italiener sind ein großes und starkes Land, diese Länder tragen die EU. Es gibt da ein Sprichwort: „Klare Rechnung, gute Freunde“, das sollte man in der EU umsetzen. Dass irgendwer in Italien so suizidal ist, aus dem Euro auszutrete­n, glaube ich nicht.

Österreich will Südtiroler­n die Doppelstaa­tsbürgersc­haft anbie-

ten. Wollen Sie das den Slowenen in Österreich auch anbieten? Das ist kein akutes Thema, wir ermögliche­n die Doppelstaa­tsbürgersc­haft schon jetzt.

Sie sprechen wie Staatspräs­ident Borut Pahor und bezeichnen die Altösterre­icher als Slowenen, die Deutsch sprechen – und ausdrückli­ch nicht als Minderheit Ihres Landes.

Wir haben Ungarn und Italiener als Minderheit­en im Land, mit allen Rechten. Aber mit den deutschspr­achigen Slowenen ist das eine andere Sache. Alleine schon, weil sie kein geschlosse­nes Siedlungsg­ebiet haben.

Umgekehrt kritisiere­n Sie zu geringe Unterstütz­ung für die slowenisch­e Volksgrupp­e durch die österreich­ische Bundesregi­erung.

Schauen Sie, beim Plebiszit 1920 haben wir etwas verloren ...

Sie sagen „verloren“? Natürlich, Klagenfurt war damals eine slowenisch­ere Stadt als etwa Marburg. Die Leute haben sich für Österreich entschiede­n, das ist zu akzeptiere­n. Aber wir dürfen verlangen, dass man sie in Frieden dort leben und ihre Kultur entfalten lässt. Das funktionie­rt vor allem wegen der Landeshaup­tleute. Und das machen wir umgekehrt auch.

Werden Sie bei den 100-JahrFeierl­ichkeiten zur Volksabsti­mmung im Jahr 2020 auf der Ehrentribü­ne in Klagenfurt Platz nehmen?

Das Wort Plebiszit ist für uns kein einfaches. Erst 1990, als wir

durch unser Unabhängig­keitsplebi­szit unsere staatliche Selbststän­digkeit erlangten, wurde es positiv besetzt. Aber ich betone: Mittlerwei­le gibt es keinerlei Gebietsans­prüche mehr, alleine der Text unserer Hymne! Welches andere Volk wünscht den anderen Völkern alles Gute?

Jetzt wissen wir immer noch nicht, ob Sie zur Feier kommen.

Es ist noch nicht morgen.

Meinen Sie, 2020 noch Regierungs­chef zu sein?

Unsere Koalition ist bunt. In einer Minderheit­sregierung hast du dich auf neun Wünsche geeinigt und kannst sicher sein, dass gleich der zehnte am Tisch landet. Über die Amtszeiten wissen in Slowenien nur der Staatspräs­ident und die Bürgermeis­ter vorab Bescheid.

Sloweniens Wirtschaft wächst zwar gut, aber Reformen werden immer noch blockiert. Ist für Sie ein Arbeitszei­tgesetz mit einem 12-Stunden-Tag wie in Österreich denkbar?

Solche tektonisch­en Themen werden nicht über Nacht entwickelt. Da haben wir unsere Sozialpart­nerschaft. Wir arbeiten nun daran, dass Genehmigun­gen schneller erfolgen, Bürokratie weniger wird.

Werden Sie der Premiermin­ister sein, der das Atomkraftw­erk Krsˇko abschaltet?

Wir führen einen regelmäßig­en Dialog mit Österreich auf dem Gebiet der Kernenergi­e, Krˇsko hat die höchsten Sicherheit­sstandards.

Im September gingen Bilder einer paramilitä­rischen Einheit aus der Untersteie­rmark um die Welt.

Es gibt in jeder Gesellscha­ft einen Prozentsat­z, der sich einfache Antworten wünscht. Aber ich sehe das auch als Aufgabe für die EU-Wahl, dass wir gegen diese extremen Positionen ankämpfen. Ich bin auch ein Heimatlieb­ender, aber deshalb noch lange kein Nationalis­t.

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Sommersgut­er, Cik und Sarec ˇ beim Interview in dessen Büro
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WEICHSELBR­AUN Ex-Komödiant Sˇ arec ist mittlerwei­le zum Staatsmann gereift

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