Der Preis des Burgfriedens
Die Hoffnung, der Eintritt der FPÖ in die Regierung würde die Partei bis in die letzten Verästelungen domestizieren, bleibt ein Mythos.
Es sind kleine, einstudierte Details. Wann immer die alten koalitionären Kontrahenten, Kern und Mitterlehner, Faymann und Spindelegger, Faymann und Molterer, gemeinsam vor die Medien traten, konnte man allein an deren Mimik die Abgründe der wechselseitigen Abneigung erahnen. Kurz und Strache haben eine neue Gestik einstudiert. Ergreift der eine das Wort, blickt der andere nicht gelangweilt durch die Reihen, sondern wendet sich demonstrativ dem Redner zu und verfolgt aufmerksam, wertschätzend, anscheinend interessiert dem Gesagten. Ob geheuchelt oder authentisch, sei dahingestellt.
Nur zwei Altpolitiker wie Kurz und Strache (Kurz sitzt seit bald zehn Jahren (!) im ÖVP-Vorstand, Strache steht seit 13 Jahren der FPÖ vor) waren in der Lage, eine Koalition zu konstruieren, in der alle Differenzen intern ausgetragen und nicht in der breiten Öffentlichkeit genüsslich ausgewalzt werden. Die Umfragen geben dem türkis-blauen Bündnis recht. Nichts hassen die Bürger mehr als ewiges Gerangel, Streit, Hader, Positionskämpfe auf Kosten des anderen. Kern trieb es auf die Spitze, als er den traditionellen Paarlauf nach dem Ministerrat durch Soloauftritte ersetzte. Nach dem Wechsel in der ÖVP entzog sich Kurz der koalitionären Hackordnung, indem er Justizminister Wolfgang Brandstetter als Vizekanzler vorschickte. Kurz und Strache waren Meister dieser alten Spielchen, die den Bürgern die Politik vermiest hatten.
Der Preis des jetzigen Burgfriedens ist ein hoher. Wann immer die SPÖ oder eine andere Oppositionspartei über die Stränge schlägt, rückt die ÖVP mit schweren Geschützen aus. Umso auffälliger ist die zumeist verhaltene Reaktion, wenn im Dunstkreis des blauen Koalitionspartners Ungeheuerlichkeiten ans Tageslicht schwappen. Schmallippig werden freiheitliche Entgleisungen kritisiert und wird auf bereits gezogene Konsequenzen verwiesen, ein schwerer Rüffel, eine ordentliche Abreibung sieht anders aus.
Dabei hätten die Freiheitlichen eine solche Abreibung in der Causa Waldhäusl verdient. Widerlich ist die permanente Kriminalisierung alles Migrantischen. Gerade wenn man der These anhängt, einer Politik der ungebremsten Zuwanderung müsse Einhalt geboten werden, um nicht das gesellschaftliche Gefüge zu gefährden, gebieten Anstand und Kinderstube, dass man die Menschenwürde nicht mit Füßen tritt. Und sauber zwischen Unbescholtenen und Verurteilten trennt. ie These, die Einbindung der FPÖ in die Regierung würde die Partei bis in ihre letzten Verästelungen domestizieren, bleibt ein Mythos. Die Entgleisungen entpuppen sich nicht als Ausrutscher, sondern sind Ausfluss einer ZweiFirmen-Theorie, um Stammtische, Bierzelte und Burschenschafter bei Laune zu halten. Daran wird sich bald nichts ändern. Je größer die Empörung im ORF und sonst wo, desto besser gefällt sich die FPÖ in ihrer Opferrolle. Die Umfragen bestärken die Freiheitlichen in ihrer ambivalenten Politik.
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