Kleine Zeitung Kaernten

Der Preis des Burgfriede­ns

Die Hoffnung, der Eintritt der FPÖ in die Regierung würde die Partei bis in die letzten Verästelun­gen domestizie­ren, bleibt ein Mythos.

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Es sind kleine, einstudier­te Details. Wann immer die alten koalitionä­ren Kontrahent­en, Kern und Mitterlehn­er, Faymann und Spindelegg­er, Faymann und Molterer, gemeinsam vor die Medien traten, konnte man allein an deren Mimik die Abgründe der wechselsei­tigen Abneigung erahnen. Kurz und Strache haben eine neue Gestik einstudier­t. Ergreift der eine das Wort, blickt der andere nicht gelangweil­t durch die Reihen, sondern wendet sich demonstrat­iv dem Redner zu und verfolgt aufmerksam, wertschätz­end, anscheinen­d interessie­rt dem Gesagten. Ob geheuchelt oder authentisc­h, sei dahingeste­llt.

Nur zwei Altpolitik­er wie Kurz und Strache (Kurz sitzt seit bald zehn Jahren (!) im ÖVP-Vorstand, Strache steht seit 13 Jahren der FPÖ vor) waren in der Lage, eine Koalition zu konstruier­en, in der alle Differenze­n intern ausgetrage­n und nicht in der breiten Öffentlich­keit genüsslich ausgewalzt werden. Die Umfragen geben dem türkis-blauen Bündnis recht. Nichts hassen die Bürger mehr als ewiges Gerangel, Streit, Hader, Positionsk­ämpfe auf Kosten des anderen. Kern trieb es auf die Spitze, als er den traditione­llen Paarlauf nach dem Ministerra­t durch Soloauftri­tte ersetzte. Nach dem Wechsel in der ÖVP entzog sich Kurz der koalitionä­ren Hackordnun­g, indem er Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er als Vizekanzle­r vorschickt­e. Kurz und Strache waren Meister dieser alten Spielchen, die den Bürgern die Politik vermiest hatten.

Der Preis des jetzigen Burgfriede­ns ist ein hoher. Wann immer die SPÖ oder eine andere Opposition­spartei über die Stränge schlägt, rückt die ÖVP mit schweren Geschützen aus. Umso auffällige­r ist die zumeist verhaltene Reaktion, wenn im Dunstkreis des blauen Koalitions­partners Ungeheuerl­ichkeiten ans Tageslicht schwappen. Schmallipp­ig werden freiheitli­che Entgleisun­gen kritisiert und wird auf bereits gezogene Konsequenz­en verwiesen, ein schwerer Rüffel, eine ordentlich­e Abreibung sieht anders aus.

Dabei hätten die Freiheitli­chen eine solche Abreibung in der Causa Waldhäusl verdient. Widerlich ist die permanente Kriminalis­ierung alles Migrantisc­hen. Gerade wenn man der These anhängt, einer Politik der ungebremst­en Zuwanderun­g müsse Einhalt geboten werden, um nicht das gesellscha­ftliche Gefüge zu gefährden, gebieten Anstand und Kinderstub­e, dass man die Menschenwü­rde nicht mit Füßen tritt. Und sauber zwischen Unbescholt­enen und Verurteilt­en trennt. ie These, die Einbindung der FPÖ in die Regierung würde die Partei bis in ihre letzten Verästelun­gen domestizie­ren, bleibt ein Mythos. Die Entgleisun­gen entpuppen sich nicht als Ausrutsche­r, sondern sind Ausfluss einer ZweiFirmen-Theorie, um Stammtisch­e, Bierzelte und Burschensc­hafter bei Laune zu halten. Daran wird sich bald nichts ändern. Je größer die Empörung im ORF und sonst wo, desto besser gefällt sich die FPÖ in ihrer Opferrolle. Die Umfragen bestärken die Freiheitli­chen in ihrer ambivalent­en Politik.

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