Die Hauptstadt von Portugal? Einfach googeln!
Beim heutigen Expertenhearing über das neue Pädagogik-Paket könnte ein Punkt fehlen: Unbildung 4.0.
Bei einem Expertenhearing wird heute in Wien über das neue Pädagogik-Paket, den Sinn von Ziffernnoten in Volksschulen, digitale Bildung und anderes beraten. Nach dem Besuch in Asien ist dem Bundeskanzler die digitale Grundbildung ein besonderes Anliegen. Dagegen klingt dann der Ruf einer Lehrerin nach der Beherrschung der Grundkulturtechniken des Rechnens, Schreibens, Lesens und ihre Warnung, dass zu viele Elfjährige sie nicht mehr gut beherrschen, fast vorgestrig.
Modern ist anderes, modern ist das digitale Klassenzimmer. Der Bildungsminister hat nun in einem Interview verkündet, Faktenwissen gehöre entlastet, um für digitale Bildung Raum zu schaffen. Hauptstädte sollten deshalb nicht mehr abgefragt werden. Könne man googeln. Also bald keinen mehr fragen, wo Lissabon liegt. Zumindest niemanden, der gerade kein Wissen (= Handy) in der Tasche hat. Und Goethe? Könnte man ja auch googeln. Selbst wer „Göthe und wiki“eingibt, kommt auf Goethe. Und in der Bäckerei nicht mehr fragen, was drei Semmeln und ein Brot kosten, wenn die Verkäuferin kein Handy in der Nähe hat und die Kassa nicht funktioniert.
Aber rechnen lernen klingt halt ziemlich unmodern im Gegensatz zu „digitaler Grundbildung“. Das klingt modern, vermittelt den Eindruck, dass wir in der Schule nicht gänzlich den Anschluss ans Silicon Valley verlieren. Fragt sich nur, welche Basis zunächst vorhanden sein sollte. Wie schrieb kürzlich der Philosoph Konrad Paul Liessmann? Ein zu früher Einsatz digitaler Technik stranguliere Phantasie und Kreativität. Und die Digitalisierung der Bildungssysteme stilisiere Ahnungslosigkeit zu einer Form des Wissens und vereinheitliche alles unter einer Oberfläche: Unbildung 4.0.
Ob Liessmann die Moderne verschlafen hat? Er sieht sie vielleicht klarer als mancher Bildungspolitiker.