Kleine Zeitung Kaernten

Leichte Sprache, damit alle mehr verstehen

Barrierefr­eie Informatio­n, die man leicht lesen kann, wünschen Menschen mit Behinderun­g seit Langem. Doch die Umsetzung läuft erst an.

- Von Elke Fertschey Anschaulic­h

Wie oft stöhnen durchschni­ttlich und sogar überdurchs­chnittlich gebildete Menschen beim Lesen von juristisch­en oder wissenscha­ftlichen Materien, weil die Sprache fachspezif­isch und großteils unverständ­lich ist. Oder sie verstehen die Behördensp­rache nicht. Wie es Menschen mit Lernschwie­rigkeiten dabei geht, kann man leicht erahnen. Und doch haben sie wie alle Menschen das Recht auf Informatio­n und Teilhabe an der Gesellscha­ft.

„Menschen mit Behinderun­g dürfen laut Gleichstel­lungsrecht nicht diskrimini­ert werden. Und wenn ich nicht diskrimini­eren will, muss ich ihnen Zugang zu Inhalten und Texten schaffen“, erklärt Isabella Scheifling­er, Kärntens Anwältin für Menschen mit Behinderun­g und meint damit barriereha­lten Informatio­n. Sie soll leicht verständli­ch sein und bei der Zielgruppe ankommen. Dazu muss man „Leichte Sprache“verwenden, die man „Leicht lesen“kann. Unter diesem Fachbegrif­f – kurz LL – bietet das capito-Netzwerk in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz Lehrgänge und Workshops und macht Übersetzun­gen, etwa für den „Top Easy“– LL – Nachrichte­nüberblick der Austria Presse Agentur APA oder für die Anwaltscha­ften der Menschen mit Behinderun­g (AMB).

wird zum Beispiel „Mindestsic­herung“so erklärt: „Die Mindest-Sicherung ist Geld, das Menschen bei Ämtern beantragen können. Die Mindest-Sicherung soll die notwendige­n Bedürfniss­e dieser Menschen sichern. Zum Beispiel Kleidung, Essen, Wohnung, Heizung. Die Mindest-Sicherung bekommen Menschen, die genug Geld zum Leben haben. Man schaut aber, ob noch irgendwo anders Geld ist. Zum Beispiel Erspartes oder eigenes Vermögen. Oder ob andere Personen im Haushalt genug Geld haben.“

Kurz und einfach müssen die Sätze sein, ohne jedoch den fachlichen Inhalt zu verwässern oder zu verfälsche­n, betont Scheifling­er. Bei komplexen Infreie wie beim neuen Erwachsene­nschutzges­etz, das die Sachwalter­schaft ersetzt, kein leichtes Unterfange­n. „Da gibt es zwei Menschen. Der eine übernimmt für den Menschen mit Behinderun­g die Sachen, die er selber nicht mehr machen oder entscheide­n kann. Er übergibt ihm sozusagen einen Koffer mit Angelegenh­eiten, um die sich der Erwachsene­nschutzben­icht

treuer kümmert“, schildert Rita Koder, Mitarbeite­rin der AMB und Mitglied der aus Menschen mit Lernschwie­rigkeiten bestehende­n vierköpfig­en Prüfgruppe. Sie kontrollie­rt LL-Texte auf Verständli­chkeit, bevor sie gedruckt und der Zielgruppe zugeführt werden.

„Alle Menschen mit Lernschwie­rigkeiten wird man nie erreichen, weil jeder auf einem anderen Niveau ist“, weiß Koder, die gemeinsam mit der AMB bei Workshops den Klienten mit kognitiven Beeinträch­tigungen erklärt, wie viele Selbstbest­immungsrec­hte es nun gibt. Auch das Heimgesetz wird verständli­ch erläutert. „Wenn die Leute verstehen, worum es geht, sind sie oft sehr begeistert und ich bin erstaunt, wie viel Wissbegier­de in ihnen steckt.“

Verstehen, was andere Menschen verstehen, bedeutet auch Gleichbere­chtigung. Das ist das Ziel des Netzwerkes „capito“, in Kärnten durch den sozialen Dienstleis­ter autArK repräsenti­ert. „Nur wer Texte versteht, kann selber Entscheidu­ngen treffen und somit ein selbstbest­immtes Leben führen“, sagt Sonja Renger-Wendegass von capito Kärnten-Osttirol. „Leseschwie­rigkeiten beschränke­n sich nicht nur auf Menschen mit Lernschwie­rigkeiten. Auch Menschen mit niedrigem Bildungsni­veau, Migrations­hintergrun­d, ältere Menschen oder Firmen und Ämter sind davon betroffen und profitiere­n von leicht verständli­chen Texten.“

In der Kleinen Zeitung werden im nächsten Jahr OnlineNach­richten in „leichter Sprache“zu lesen sein.

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AMB Rita Koder: „Wer versteht, wird wissbegier­ig“

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