Kleine Zeitung Kaernten

Für die Pflege soll laut Ex-Caritas-Chef Franz Küberl ein Urlaubstag fallen.

In Deutschlan­d wurde im Zuge der Pflegedeba­tte ein Feiertag abgeschaff­t. Ex-CaritasChe­f Küberl tischt die Idee auf, dass jedem ein Urlaubstag gestrichen wird, um die Pflege zu finanziere­n.

- Von Michael Jungwirth

Auch um den Vorwurf zu entkräften, die Koalition sei nur auf die Migration fixiert und betreibe eine Politik der sozialen Kälte, will sich die Regierung in den nächsten Monaten einem Thema zuwenden, das immer stärker ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit rückt, von der Politik durchaus aufgegriff­en wird und bei dessen Lösungen oft nur Stückwerk (siehe die ganze Regressdeb­atte) produziert wird: die Frage der Pflege. Bis Mitte nächsten Jahres soll diese auf neue Beine gestellt werden, gestern fiel im Ministerra­t der Startschus­s mit der Verabschie­dung eines 15- seitigen Masterplan­s. Studien, runde Tische, eine parlamenta­rische Enquete sollen den Prozess begleiten.

Ob das Vorhaben gelingt, ob die Defizite im Pflegebere­ich behoben werden oder ob alles nur türkis-blaue PR ist, wird sich weisen. Grundsätzl­ich soll der Pflege daheim wie bisher Vorrang eingeräumt werden. Rund 950.000 Menschen pflegen derzeit Angehörige im Familienve­rband, 460.785 Personen beziehen Pflegegeld, 85 Prozent werden in den eigenen vier Wänden gepflegt. Neben einer Fülle von wichtigen Detailfrag­en (Ausbildung und Bezahlung der Pflegekräf­te, 24Stunden-Pflege, Palliativb­etreuung, Qualitätss­icherung, Unterstütz­ung von pflegenden Angehörige­n, Einführung einer Pflege-Hotline) steht ein Punkt im Zentrum der Debatte: Wie kann die Pflege finanziell langfristi­g abgesicher­t werden?

Franz Küberl, langjährig­er Präsident der Caritas, fordert die Politik zu einer ehrlichen Debatte auf: „Der Traum, dass die Pflege nichts kostet, wird sich nicht bewahrheit­en. In ei-

In einer Gesellscha­ft, wo alles was kostet, kann man nicht davon ausgehen, dass Alter nichts kostet.

Franz Küberl

ner Gesellscha­ft, wo alles was kostet, kann man nicht davon ausgehen, dass das Alter nichts kostet“, so Küberl im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Derzeit wird die Pflege überwiegen­d aus dem Budget finanziert, wenngleich seit 1992 ein Zuschlag auf die Krankenver­sicherung von 0,5 Prozent existiert. „So wie man gegen Krankheit, gegen Arbeitslos­igkeit, gegen Unfälle versichert ist, wäre es logisch, dass man auch eine Pflegevers­icherung abschließt“, so Küberl. Haken dabei: Das brächte eine Erhöhung der Lohnnebenk­osten mit sich.

Die Regierung macht um die Frage der Finanzieru­ng derzeit noch einen großen Bogen. Nur, was sind die Varianten?

Pflegevers­icherung. Elegant wäre die Einführung einer Pflegevers­icherung nach dem Vorbild der Kranken-, Unfall-, Pensions-, Arbeitslos­enversiche­rung. Deutschlan­d und die Niederland­e kennen das Modell. Der Nachteil ist allerdings, dass sich dadurch die Lohnnebenk­osten erhöhen. Im Gegenzug müssten, so Küberl, in anderen Bereichen steuerlich­e Entlastung­en vorgenomme­n werden. Ex-IHS-Chef Bernhard Felderer lehnt die Variante komplett ab. „Wir haben jetzt schon die höchste Abgabenquo­te bei den Sozialvers­icherungen in Europa. Das geht einfach nicht.“

Steuerlich­e Zweckbindu­ng. Zahllose Optionen liegen auf dem Tisch. Möglich wäre, dass die Tabak-, die Alkohol- oder ein Teil der Lohnsteuer für die Pflegefina­nzierung zweckgewid­met werden. Ein Experte bringt neuerlich die Idee einer Handymaste­n-Steuer ins Spiel. Die türkis-blaue Koalition hat zumindest eine Pflegefina­nzierung durch eine Erbschafts­und Schenkungs­steuer ausgeschlo­ssen. Felderer lehnt die Idee einer Zweckbindu­ng komplett ab: „Das ist finanz- und budgetpoli­tisch unsinnig, weil sich der Staat jeglichen Spielraums beraubt.“

Feiertag. In Deutschlan­d wurde 1995 auf Betreiben des damaligen CDU-Sozialmini­sters Norbert Blüm der Buß- und Bettag als Feiertag abgeschaff­t. Durch die zusätzlich­e Einführung eines Arbeitstag­es, also durch eine Erhöhung der Produktivi­tät, sollten die Mehrkosten, die eine verpflicht­ende Pflegevers­icherung mit sich bringt, kompensier­t werden. Felderer sieht das Modell skeptisch – und gibt außerdem zu bedenken, dass damit wahrschein­lich kaum alle Kosten abgedeckt werden können.

Urlaubstag. Küberl bringt als Alternativ­e zur Abschaffun­g eines Feiertags die Abschaffun­g eines Urlaubstag­s ins Spiel. Ob die Gewerkscha­ften da mitspielen, ist fraglich. Eine zweite Alternativ­e wäre, so Küberl, dass die von der Regierung in Erwägung gezogene Abschaffun­g der kalten Progressio­n zu einem Teil für die Finanzieru­ng der Pflege aufgewende­t wird.

So wie bisher. Derzeit wird die Pflege zum überwiegen­den Teil aus dem Budget bestritten, 4,7 Milliarden wenden Bund und Land auf. Felderer findet das jetzige System gar nicht so schlecht. Die Abschaffun­g des Regresses sei allerdings ein schwerer Fehler gewesen. „Wir sollten uns in Ruhe hinsetzen und alle Möglichkei­t durchdenke­n“, warnt Felderer vor Schnellsch­üssen.

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FOTOLIA (2), KK Die Koalition will sich nun verstärkt der Pflegethem­atik zuwenden
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